Panorama

Gastronom bricht Tabu Neapel isst plötzlich Pizza Hawaii

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
So sieht sie aus, die Pizza, bei der die Italiener um ihren Geschmackssinn fürchten.

So sieht sie aus, die Pizza, bei der die Italiener um ihren Geschmackssinn fürchten.

(Foto: Udo Gümpel)

Hatten Sie schon mal eine Pizza Hawaii? In Deutschland tut es ein Ja oder Nein als Antwort, in Italien wird es dann grundsätzlich. Doch ein neapolitanischer Pizza-Bäcker hat es gewagt, Ananas auf Pizza zu legen. Und sogar die Einheimischen finden das überraschend gut.

Für Italiener teilt sich die Welt in zwei Teile auf: In solche, wo keine Ananas auf die Pizza gelegt wird: Da ist die Welt des guten Essens. Und dann ist da der andere Teil, wo die Barbaren herrschen und Ananas-Pizza essen. Diese eherne Regel der guten Pizza hat nun ausgerechnet Gino Sorbillo umgestoßen, Sprössling der dritten Generation einer hoch angesehenen traditionellen Pizzaioli-Familie aus Neapel, Pizzabäcker seit 1935.

Noch steht Ginos Pizza-Imperium im Herzen Neapels nicht unter Polizeischutz. Vieles ist in Italien ja erlaubt, fast alles geduldet. Als Deutscher darf man sogar mit Sandalen und weißen Söckchen auf der Straße herumlaufen. Mehr als missbilligende Blicke gibt es dafür nicht. Nur eines darf man eben nicht in Italien: In einem Restaurant, in einer Pizzeria, diesem Tempel des italienischen Essens, eine "Pizza Hawaii" bestellen. Dem Ausländer gegenüber wird der "Pizzaiolo", der Pizzabäcker, vielleicht noch so tun, als hätte er nicht richtig gehört. Ein Italiener wird vor die Tür geschoben, begleitet von ein paar Four-letter-Words.

Um es ganz deutlich zu sagen: Ananas-Scheiben auf die Pizza zu legen, ist in Italien schlimmer als ein Staatsverbrechen, für das man auf Begnadigung durch den Staatspräsidenten hoffen kann. Alles wird vergeben, aber nicht die Pizza Hawaii. Gino Sorbillo aber traute sich. Vor Weihnachten wagte er sich am Stammsitz der Familien-Pizzeria in der Via die Tribunali in Neapel an das Undenkbare.

Tomate, Mozzarella, sonst nichts?

"Ich liebe die Herausforderung. Sicher, auch wir haben nie eine Pizza mit Ananas belegt. Aber warum eigentlich nicht?", erzählt er ntv.de. "Die Ananas ist eine saftige Frucht, da ließe sich doch etwas machen, dachte ich mir." Gino ahnte es: Kaum hatte er die Idee in den sozialen Medien lanciert, ging die Welle der harschen Kritik los. Wie hat er auf den "Shitstorm" reagiert? Gino lacht. "Ich habe die einfachste Gegenfrage gestellt, die man sich denken kann: Habt ihr sie schon probiert?" Hatte natürlich keiner der Kritiker.

Gino Sorbillo wirbt offen mit dem "Tabubruch".

Gino Sorbillo wirbt offen mit dem "Tabubruch".

(Foto: Udo Gümpel)

Gino Sorbillo hat das Pizzabäcker-Handwerk bei seinem Vater und seiner Oma gelernt. "Da kam außer Tomaten und Mozzarella sonst fast nichts auf den Teig. Dann haben wir angefangen, sie auch mit Ei, Pilzen, rohem Schinken, Tiroler Speck und sonst allerlei zu belegen." Eine "Pizza ortolano", nach Gärtnerin-Art, ist heute mit allem belegt, was im Garten wächst: Süßes, Saures, Buntes. Das habe es früher auch nicht gegeben. Aber ein Tabu gäbe es doch, bei seiner Kreation der "Pizza Ananas": "Auf keinen Fall darf man Tomatensoße nehmen. Die Säure der Tomaten steht in großem Kontrast zur Süße der Ananas."

Im kleinen Stammlokal in der Via die Tribunali ist es gerammelt voll. An einigen Tischen wird auch "Pizza Ananas" gegessen. Nicht nur von Ausländern, wie einem Paar aus Südkorea, wo die Frau im Internet von der "Pineapple-Pizza" las und diese sofort hermusste. "Finally, even in Naples!" Aber Ausländer zu überzeugen, ist kein Problem. Die Hürde sind die Landsleute, die Traditionalisten.

Das Undenkbare probieren

"Mein Ziel war es, ein Vorurteil zu überwinden. Natürlich hat es mich gereizt, das Undenkbare zu probieren. Mein Grundrezept für die Ananas-Pizza beruht auf drei Sorten geräuchertem Frischkäse. Zunächst einmal die Ananas: Sie wird zweimal erhitzt. Zuerst einmal separat, in einem Herd mit konstanter Temperatur, dann kommt sie auf das, was wir hier eine 'weiße' Pizza nennen, also auf den Teig ohne Tomaten. Die Ananas-Scheiben kommen auf eine Unterlage von Provola-Käse der Sorte 'Monte Lattari', mit Heu geräuchert: Dieser Frischkäse hat hier eine lange Tradition in der Region Kampanien. Dazu ein außerordentliches Extra-Vergine-Olivenöl aus dem Cilento, der Gegend südlich von Salerno, das kommt frisch darüber. Wenn wir die Pizza aus dem Ofen holen, nach etwa einer Minute, wird über den Rand der Pizza Cacioricotta-Frischkäse aus Ziegenmilch aus Sardinien gerieben, dazu kommt noch ein gereifter Cacioricotta aus Büffelmilch aus dem Cilento, der auch wieder geräuchert worden ist, und das Werk ist vollbracht!"

Die Ananas-Pizza überzeugt. Die Süße der Ananas, nicht übertrieben präsent, wird gut kontrastiert von dem feinen Aroma der geräucherten Cacioricotta-Käsesorten. Die überaus skeptischen neapolitanischen Gäste sind fast alle sehr angetan. Das hätten sie nicht erwartet. Viele kommen, um richtig zu meckern. Aber: "Die geräucherten Käse-Sorten harmonieren sehr gut mit der Süße und Frische der Ananas", kommt dann häufig als Kommentar.

Nicht wenige Gastronomie-Kritiker haben derweil auch bei Gino vorbeigeschaut. Knallharte Leute. Eine Geschmackskombination, die seltsam anmute, so urteilte ein in Neapel bekannter Verteidiger der traditionellen neapolitanischen Küche, der Opernsänger Sergio Valentino: Sie sei "sehr lecker", auch wenn er dabeibleibe, Ananas käme bei ihm nicht auf die Pizza.

Gino Sorbillo will mit Neuerfindungen weitermachen. "Aber keine Angst, die Pizza mit Ketchup wird es bei mir nie geben. Mir reicht es, mit der Ananas-Pizza ein altes Vorurteil überwunden zu haben". Das "Go" für die Pizza Hawaii alias Pizza Ananas ist gegeben. Man achte nur darauf, dass keine Tomaten auf der Ananas-Pizza sind. Das ist und bleibt weiterhin ein Staatsverbrechen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen