Gegen den Verkehrskollaps New York will von Autofahrern 15 Dollar Gebühr nehmen
02.03.2024, 09:52 Uhr Artikel anhören
Inzwischen sind Kennzeichenlesegeräte installiert.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Auf den Straßen von New York ist oft kein Durchkommen, das U-Bahn-Netz ist marode. Mit einer zusätzlichen Gebühr will die Stadtverwaltung Autofahrer fernhalten und zugleich Mittel für Investitionen in den Nahverkehr beschaffen.
Schon jetzt kann eine Autofahrt nach Manhattan schnell teuer werden. Die Nutzung von Brücken und Tunneln kostet ebenso wie das Parken - ganz zu schweigen von dem ständigen Risiko, sich in unübersichtlichen Verkehrslagen irgendwo ein Knöllchen einzufangen. Künftig könnte noch eine Tagesgebühr von 15 Dollar (14 Euro) hinzukommen, um überhaupt in den besonders geschäftigen Bereich südlich des Central Parks hineinfahren zu dürfen.
Die Notwendigkeit einer Verkehrswende ist in New York offensichtlich. Zu Stoßzeiten herrscht in vielen Straßen Chaos. Mit der neuen Gebühr wollen die Behörden mehr Menschen dazu bewegen, das eigene Auto stehen zu lassen und stattdessen mit Bussen und Bahnen zu fahren. Viele Pendler sind skeptisch - zumal das Nahverkehrsnetz auf manchen Routen zu wünschen übrig lässt. Es gibt auch Befürchtungen, dass sich der Autoverkehr einfach in andere Gebiete verlagern wird.
Für die meisten privaten Fahrzeuge werden den Plänen zufolge ab diesen Sommer 15 Dollar fällig, sobald die Kennzeichenlesegeräte sie an den Außengrenzen der neuen Mautzone erfassen. Wer sich nicht vorher im System registriert, soll sogar 22,50 Dollar bezahlen. Insgesamt hofft die Stadt auf jährliche Einnahmen in Höhe von etwa einer Milliarde Dollar. Das Geld soll für die U-Bahnen und Busse genutzt werden, die jeden Tag etwa vier Millionen Passagiere befördern.
Vorbild Singapur
New York wäre die erste Stadt in den USA mit einer Citymaut. In einigen europäischen Metropolen werden zum Teil schon seit Jahren in ähnlicher Weise Gebühren erhoben, unter anderem in London, Stockholm und Mailand. Weltweiter Vorreiter war Singapur, wo es seit 1975 ein innerstädtisches Mautsystem gibt.
Widerstand kommt von Berufsgruppen, die laut eigener Darstellung auf das Auto angewiesen sind, die zusätzlichen Kosten aber kaum stemmen können. Einige fordern deswegen Ausnahmen. Seit dem (heutigen) Donnerstag gibt es dazu eine Reihe von Anhörungen. Gerade für Angestellte im öffentlichen Dienst, die sich ihren Einsatzort zum Teil nicht aussuchen könnten, sei die Maut eine bittere Pille, sagt Paul Caminiti, der als Lehrer vom Stadtteil Staten Island nach Manhattan pendelt.
Sofern Lehrer nicht noch von der Gebühr befreit werden, hat Caminiti zwei Optionen: Entweder er nimmt in Kauf, pro Jahr etwa 2700 Dollar zu bezahlen, um auch weiter innerhalb einer halben Stunde mit dem Auto seinen Arbeitsort zu erreichen, oder er nutzt eine Busverbindung, bei der er bis zu zweimal umsteigen muss und pro Strecke fast zwei Stunden unterwegs sein wird.
Unterstützer des Vorhabens betonen, dass nur etwa 40 Prozent der Haushalte in New York ein Auto hätten. Für Menschen ohne Auto müsse es ein zuverlässiges und kostengünstiges Nahverkehrssystem geben, sagt Danny Pearlstein vom Fahrgastverband Riders Alliance. Die Stadt habe beschlossen, in die Infrastruktur zu investieren, die das Leben in New York überhaupt erst möglich mache.
Von London lernen
Aus Sicht von Michael Manville, der an der University of California in Los Angeles das Institut für Stadtplanung leitet, könnten amerikanische Städte von den Erfahrungen von London lernen. Nach einem anfänglichen Rückgang habe der Verkehrs dort zwei Jahrzehnte nach Einführung der Maut inzwischen wieder deutlich zugenommen, was auch mit den zahlreichen Ausnahmeregelung zu tun haben könnte, sagt er. Neben Taxis und Fahrzeugen, die Menschen mit Behinderung transportierten, seien in der britischen Hauptstadt auch etwa Elektroautos von der Gebühr befreit.
New York plant Ausnahmen für Rettungsfahrzeuge, Busse des öffentlichen Nahverkehrs, Spezialfahrzeuge der Behörden sowie ebenfalls für Fahrzeuge zur Beförderung von Personen mit einem Handicap. Bewohner der Stadt mit einem geringen Einkommen können eine Vergünstigung sowie eine Steuergutschrift erhalten. Bei Taxifahrten wird ein Aufschlag von 1,25 Dollar erhoben, bei Fahrten, die über App-Dienste gebucht werden, soll dieser 2,50 Dollar betragen. Für Lastwagen und kommerzielle Busse sind Gebühren zwischen 24 und 36 Dollar geplant.
John McCarthy von der Metropolitan Transportation Authority, die von den Einnahmen profitieren wird, sagt, das grundlegende Ziel der Citymaut sei eine Verringerung des Verkehrsaufkommens in der Stadt. "Wenn wir ernsthaft etwas gegen die Staus tun wollen, die die Straßen verstopfen, dann müssen wir die Zahl der Leute reduzieren, die das Auto benutzen."
Fünf Klagen gegen Maut-Projekt
Einige Bewohner von umliegenden Städten und Stadtteilen fürchten allerdings, dass ein Teil der Autofahrer einfach andere Wege wählen wird. Richard Galler aus Fort Lee im direkt an New York angrenzenden US-Staat New Jersey rechnet mit mehr Verkehr und mehr Luftverschmutzung in seinem Wohnviertel. Pendler könnten zur Überquerung des Hudson River die außerhalb der Mautzone liegende George Washington Bridge nehmen anstelle der südlicheren Tunnel. Galler will deswegen gerichtlich gegen das Projekt vorgehen. Insgesamt laufen fünf Klagen gegen die Maut.
Aus Sicht von Jean Ryan, die im Stadtteil Brooklyn wohnt und sich als Leiterin der Organisation Disabled in Action für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt, sind die Regeln, nach denen Ausnahmen von der Mautgebühr gewährt werden können, zu eng gefasst. Außerdem ist sie skeptisch, ob die erwarteten Einnahmen tatsächlich, wie von den Behörden versprochen, auch in neue Fahrstühle und Rampen fließen werden, die U-Bahn-Stationen barrierefrei machen würden.
Vertreter von Unternehmensverbänden betonen, dass die Wirtschaft der Stadt noch immer dabei sei, sich von der Corona-Pandemie zu erholen und sich das Pendlerverhalten gerade ändere, weil viele Menschen zunehmend von zu Hause aus arbeiten würden. Cristyne Nicholas, die den Verband Broadway Association leitet, verweist zudem auf die Lage von Schichtarbeitern, die keine andere Wahl hätten, als das Auto zu nehmen, weil das Nahverkehrsangebot nachts und am frühen Morgen nicht ausreiche. In den zurückliegenden Jahren habe sich in New York viel verändert, sagt sie. Ihr Verband habe Bedenken, dass die Maut den Wiederaufschwung verlangsamen werde.
Quelle: ntv.de, Benjamin Wünsch, AP