"Marxistische Marionette" Amerikaner sind stolz auf ihren Papst - aber nicht alle
08.05.2025, 22:28 Uhr Artikel anhören
Auf dem Petersplatz: ein Kreuz und eine US-Flagge.
(Foto: IMAGO/NurPhoto)
In den Vereinigten Staaten zeigen sich die Medien über die Wahl des neuen Papstes überrascht. Der ist weder so US-amerikanisch noch so konservativ, wie manche gerne hätten. Präsident Trump gratuliert, sein Vize auch. Eine wichtige rechte Stimme aus Trumps MAGA-Bewegung schimpft.
Ungläubigkeit und Erregung auf allen Kanälen. Die US-Fernsehsender sind genauso überrascht wie wahrscheinlich die ganze Welt: Kardinal Robert Prevost ist der neue Papst, ein US-Amerikaner. Zum ersten Mal. "Ein Mann aus Chicago, werden die US-Amerikaner sagen", bemerkt ein Vatikan-Reporter im Fernsehen. Und schiebt hinterher: "Die Südamerikaner werden sagen: ein Mann aus Peru."
Auch der US-Präsident ist begeistert. "Es ist solch eine Ehre, dass er der erste amerikanische Papst ist", lässt Donald Trump bei Truth Social wissen. Trump bezeichnet sich als Christen, ist jedoch kein Katholik. Aber: Er freue sich schon, den neuen Papst zu treffen, schreibt er: "Es wird ein sehr bedeutsamer Moment sein!"
Umfragen zufolge bezeichnen sich rund 20 Prozent der US-Amerikaner als Katholiken. Andere christliche Strömungen - allem voran der Protestantismus - sind in den USA dominanter. Auch in den USA hat die katholische Kirche in den vergangenen Jahren tiefgreifende Krisen erlebt. Mehrere Missbrauchsskandale wurden aufgedeckt - jahrzehntelang waren die Taten vertuscht worden.
"Everything dope, including the Pope"
Immer wieder kommt das Thema auf, dass Papst Leo XIV. spanisch sprach bei seinem ersten Auftritt, sich bedankte bei seiner peruanischen Glaubensgemeinschaft. Er habe sich als Peruaner präsentiert, sagt eine Kommentatorin: Leo werde ein globaler Papst, kein US-amerikanischer. Momentan sei das für Katholiken in den USA aber vielleicht nebensächlich, meint sie.
Der Fernsehsender CBS spricht live auf dem Petersplatz mit einem Paar aus dem US-Bundesstaat Illinois. Die beiden sind keine Katholiken, aber dennoch elektrisiert: Sie waren ohnehin in Rom, erzählen sie, wollten diesen Moment nicht verpassen. Und dann ein Papst aus den USA auch noch, der Mann lacht ungläubig, "amazing" sei das.
Pastor William Lego aus Chicago kannte den neuen Papst, als er noch ein junger Seminarist im US-Bundesstaat Michigan war. "Ich glaube, mein Klassenkamerad versteht es einfach", sagte er laut "New York Times", und klang demnach verblüfft: "Sie haben einen guten Menschen gewählt."
"Wir hoffen, Sie bald wieder zu Hause willkommen heißen zu dürfen", schrieb der Bürgermeister der US-Metropole Chicago. Er scherzte außerdem, dass alles Coole, auch der Papst, aus der Stadt komme - im Englischen ein Reim: "Everything dope, including the Pope, comes from Chicago!" Leo XIV. ist 1955 in der Stadt im Mittleren Westen geboren.
"Ein totaler Marxist wie Franziskus"
Noch im Februar hatte Robert Prevost online einen Artikel geteilt, der Trumps rechte Hand kritisiert: US-Vize JD Vance habe Jesus missverstanden, heißt es darin. Vance hatte gesagt, es gebe für Christen eine Rangfolge der Liebe: Erst die Familie, dann die Nachbarn, die Gemeinde und am Ende den Rest der Welt. Offensichtlich zum Missfallen des neuen Papstes.
Vance gratulierte dennoch: "Ich bin sicher, dass Millionen amerikanischer Katholiken und anderer Christen für seine erfolgreiche Arbeit an der Spitze der Kirche beten werden", schrieb er in Richtung Leo XIV.: "Gott segne ihn!" Vance ist als Erwachsener zum katholischen Glauben konvertiert und wurde 2019 getauft.
Die rechte Influencerin Laura Loomer, so etwas wie eine Trump-Flüsterin des MAGA-Flügels, kann mit dem Werdegang des neuen Pontifex wenig anfangen. "Er ist gegen Trump, gegen MAGA, für offene Grenzen und ein totaler Marxist wie Papst Franziskus", poltert sie. Katholiken hätten nichts Gutes zu erwarten. "Nur eine weitere marxistische Marionette im Vatikan." Der konservative Aktivist Charlie Kirk teilte mit, der neue Papst sei eingetragener Republikaner und habe bislang immer republikanisch gewählt.
Teddy aus New York steht auf dem Vorplatz seiner Universität, seine Augen werden groß, wenn er über den neuen Papst spricht: "Eigentlich müsste ich für eine Klausur lernen", erzählt der 55-Jährige ntv.de, seine Stimme überschlägt sich. "Aber ich habe nicht gelernt, ich war total fixiert auf den Papst." Er sei nicht mal religiös, aber das Ganze sei so aufregend gewesen.
Der aufsteigende weiße Rauch sei ein Symbol für Reinheit und Hoffnung, findet Veronica aus dem Bundesstaat Texas: Sie und ihre Tochter Jessica hätten jeden Tag geschaut, ob schon eine Entscheidung gefallen sei. "Eine wunderschöne Tradition, wer auch immer sie sich ausgedacht hat."
"Der Papst, den die Kirche braucht"
In Rom wird die Faszination der US-Amerikaner für die katholische Kirche greifbar, als sich der CBS-Reporter verabschiedet, nach all dem Freudentaumel auf dem Petersplatz. Sichtlich ergriffen sagt er, das hier - er macht eine ausladende Geste - der Vatikan, der sei älter als 2000 Jahre, älter als jeder Mensch. Viel älter als die USA. Und diese Institution habe entschieden: "Ein amerikanischer Papst, das ist der Papst, den die Kirche braucht."
Dass wenige Monate nach dem Auszug Joe Bidens aus dem Weißen Haus erstmals ein US-Amerikaner zum Papst gewählt wird, birgt eine gewisse Ironie. Biden ist streng gläubiger Katholik. Er war nach John F. Kennedy erst der zweite katholische Präsident in der US-Geschichte. Der Demokrat geht jedes Wochenende in die Kirche. Für die Bestattung von Papst Franziskus reisten der 82-Jährige und seine Ehefrau Jill eigens nach Rom. Er verpasste den historischen Moment für die USA und amerikanische Katholiken als Präsident nur ganz knapp.
Quelle: ntv.de, lwe/rpe, mit dpa