Erkenntnisse im Folterfall Höxter Opfer mussten Abschiedsbriefe schreiben
07.05.2016, 10:19 Uhr
Im dem Haus müssen die Ermittler möglicherweise noch Wochen Spuren sichern.
(Foto: dpa)
"Quadratzentimeterweise" durchsuchen die Ermittler das Haus in Höxter-Bosseborn. Dabei finden sie immer neue Beweise für Grausamkeiten. Besonders perfide: Die Täter zwingen die Opfer, ihr Einverständnis niederzuschreiben.
Bei ihren Ermittlungen hat die Polizei in dem Haus in Höxter-Bosseborn, in dem mutmaßlich mehrere Frauen misshandelt wurden, zwei Abschiedsbriefe entdeckt. Das berichtet der "Spiegel". Sie stammen vermutlich von den beiden Todesopfern Annika W. und Susanne F. Demnach erklärten die Frauen in den Briefen, ihrem Leben ein Ende setzen zu wollen.
Die Polizei geht davon aus, dass die Frauen gezwungen wurden, diese Briefe zu schreiben. Zudem fanden die Beamten mehrere Zettel, auf denen Frauen versicherten, sie seien mit der Behandlung durch ihre mutmaßlichen Peiniger Angelika und Wilfried W. einverstanden.
Auf einer Pressekonferenz hatten die Ermittler am Dienstag mitgeteilt, dass es anfangs möglicherweise eine gewisse Zustimmung der Frauen gegeben haben könnte. Später jedoch könne von keine Rede mehr davon gesehen sein, dass die Opfer sich den Misshandlungen freiwillig aussetzten.
Liste der Grausamkeiten
Ihrem Anwalt, Peter Wüller, zufolge ist Angelika W. "uneingeschränkt und rückhaltlos geständig". Unter anderem hat sie, dem "Spiegel" zufolge, eine Tabelle mit den Namen von sieben Opfern angelegt. Einer davon sei ihr eigener. Das würde bedeuten, dass außer den beiden Todesopfern Annika W. und Susanne F. noch mindestens vier weitere Frauen in dem Haus misshandelt wurden.
Nach Erkenntnissen der Sonderkommission "Bosseborn" hat Wilfried W. seit 2011 mehrere hundert Kontaktanzeigen geschaltet. "Wenn man die Anzahl der Annoncen betrachtet, gehen wir davon aus, dass mehr als 100 Frauen Kontakt zu ihm aufnahmen", sagt Oberstaatsanwalt Ralf Meyer. "Viele wissen womöglich gar nicht, mit wem sie es zu tun hatten." 15 Frauen haben sich inzwischen bei der Polizei gemeldet.
Angelika W. zählt in dem Papier verschiedene Formen von Misshandlungen auf, darunter schlagen, treten, fesseln, würgen, "heißes Bügeleisen, Kopf in kaltes Wasser tauchen, Gegenstände in die Vagina einführen, Kälte und Essensentzug. Die 47-Jährige habe drei DIN-A4-Blätter vollgeschrieben und dabei auch angegeben, wer die jeweiligen Handlungen ausführte: W. für Wilfried W. oder "ich". Die meisten Misshandlungen nahm demnach Angelika W. vor. Dazu habe sie in der Vernehmung ausgesagt, dass sie von ihrem Ex-Mann nicht gezwungen und auch nicht angewiesen worden sei. Sie habe die Frauen gequält, weil sie geglaubt habe, Wilfried W. erwarte dies von ihr.
Schwierige Aufgabe für Gutachter
Das Paar hatte sich 1999 kennengelernt und schnell geheiratet. Schon zuvor hatte er wegen der Misshandlung seiner vorherigen Ehefrau bereits eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verbüßt. Die Scheidung von Angelika W. im Jahr 2013 bedeutete nach Ansicht der Ermittler keine Trennung, vielmehr sei es um finanzielle Fragen gegangen. Wilfried W. hat zwei uneheliche Kinder, für die er Unterhalt zahlen muss.
Wilfried W. bestreitet bisher die gemeinsamen Tötungen. Sein Anwalt hat ihm geraten, zunächst keine weiteren Angaben zu machen. "Ich glaube, dass die Rollenverteilung quasi 100:0 zu Lasten meines Mandanten so nicht zutreffend ist", sagte André Pott in verschiedenen Interviews. Es werde zu überprüfen sein, wer bei den Taten welche Rolle eingenommen habe. Sowohl Wilfried als auch Angelika W. werden psychiatrisch begutachtet.
Quelle: ntv.de