Rollenklischees in Rosa und Blau Preis für plumpes Gender-Marketing
03.03.2017, 19:20 Uhr
Der erste Preisträger in der Geschichte des Goldenen Zaunpfahls geht an die "Lesenlernen Geschichten von Pons GmbH, Klett Lerntraining.
Ladys-Chips und Marzipan für echte Kerle. Klebeband je nach Geschlecht und Taschentücher in "mansize". Verbraucher waren aufgerufen, Produkte mit sinnlosem Gendermarketing für den "Goldenen Zaunpfahl" zu nominieren. Jetzt steht der Gewinner fest.
Rosa und süß für Mädchen, blau und cool für Jungs: Ob beim Anziehen, beim Essen, beim Schulranzenkauf, beim Lesen oder Rechnen - das Gender-Marketing ist längst bis in alle Lebensbereiche vorgedrungen. Erst waren es rosa Überraschungseier und lila Legosteine, inzwischen gibt es Kekse für Mädels, Marzipan für echte Kerle, Socken nicht für Füße, sondern für Jungs. Es gibt Babymilch-Reklame, die vorgaukelt, der kleine Junge wird mal ein Mathematikgenie und das kleine Mädchen eine Balletttänzerin und Gurkengläser für das "Gurken Madel" und für den "Gurken Bub".
Gendermarketing teilt Menschen schon im Kindesalter in zwei Gruppen und zwingt sie immer wieder, sich zu positionieren. Und ganz nebenbei werden beiden Geschlechtern uralte Rollenbilder übergestülpt: Die Mädchen sind zarte Prinzessinnen, liebevolle Puppenmuttis oder schnurrende Kätzchen, die Jungs sind wilde Abenteurer, mutige Piraten oder technikbegeisterte Helden.
Damit muss Schluss sein, dachten sich die Autoren des Buches "Die Rosa-Hellblau-Falle", Almut Schnerring und Sascha Verlan. Zusammen mit der Ex-Piraten-Politikerin Anke Domscheit-Berg nehmen sie auf ihrer Webseite "Ich mach mir die Welt" die absurdesten Auswüchse des Gender-Marketings unter die Lupe und lobten im vergangenen Herbst mit dem "Goldenen Zaunpfahl" einen Preis aus. Verbraucher waren aufgerufen, Werbekampagnen einzureichen, die stereotype Rollenklischees vermitteln, in denen Produkte sinnlos dem einen oder anderen Geschlecht zugeordnet werden.
Ein paar Wochen und 50 Vorschläge später, schickten die Initiatoren fünf Favoriten um den Negativpreis ins Rennen:
- das rosa Überraschungs-Ei (Ferrero)
- Pinker Globus (Räthgloben-Verlag)
- Werbespot für Folgemilch (Milupa / aptamil)
- Klischeehafte Präsentation einer Kinder-Spielküche (Katalog von Jako-o)
- Geschichten für Mädchen bzw. Jungs zum Lesenlernen ("Pons GmbH, Klett Lerntraining")
Der Wink mit dem Goldenen Zaunpfahl richte sich an Unternehmen und ihre Marketingabteilungen, schreiben die Initiatoren. "Das Werbevolumen in Deutschland beträgt über 40 Milliarden Euro. Investitionen, die sich nicht nur auf den Umsatz auswirken, sondern auch gesellschaftliche Bilder prägen", mahnt Domscheit-Berg, und Mit-Initiator Verlan kritisiert: "Während Erwachsene sich noch einreden können, von den rückwärts gewandten Botschaften der Werbeindustrie unbeeinflusst zu bleiben, ist die Wirkung auf Kinder immens. Sie nehmen die Botschaften des Gendermarketing für wahr und positionieren und verhalten sich entsprechend. Dadurch werden sie allerdings in ihren Grundrechten eingeschränkt, nämlich der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeiten."
Natürlich kennen die Zaunpfahl-Preisverleiher die Argumente ihrer Kritiker. Die Aussage "Es sind doch nur Farben", steht im Bullshit-Bingo des Gender-Marketings ganz oben. "Es spricht auch überhaupt nichts gegen die Farben Rosa, Lila oder Pink, aber sie werden vereinnahmt von der Werbeindustrie und zunehmend mit Schönheit, Anmut und Zartheit in Verbindung gebracht. Gendermarketing hat mit dazu beigetragen, dass Rosa heute als niedlich und sexy gilt und dass die Farbe Mädchen vorbehalten ist, anstatt dass sie für alle da wäre, denen sie gefällt."
In Berlin entschied am Abend eine siebenköpfige Jury erstmalig, welches Produkt den Wink mit dem Goldenen Zaunpfahl am nötigsten hat. Der erste Preis ging an die "Geschichten für Mädchen bzw. Jungs zum Lesenlernen (Pons GmbH, Klett Lerntraining)". Aber das war eigentlich nebensächlich: Vielmehr soll der Goldene Zaunpfahl einen Dialog anregen über Vielfalt und Identität, über Zugehörigkeit und Normierung, so die Initiatoren. Er soll die Rollenvorgaben und Wirkmechanismen von Werbung und Produktdesign offenlegen und die Marketingbranche an ihre gesellschaftliche Verantwortung erinnern.
Quelle: ntv.de