Panorama

Gier als Geschäftsmodell Prellte Goldhändler Kunden mit Schneeballsystem?

Der 51-jährige Ex-Geschäftsführer muss sich wegen Betrugs verantworten.

Der 51-jährige Ex-Geschäftsführer muss sich wegen Betrugs verantworten.

(Foto: dpa)

Gold gilt vielen immer noch als krisensichere Investition. Der Goldhändler PIM aus Heusenstamm verspricht Anlegern so grandiose Renditen, dass manche ihre komplette Altersvorsorge investieren. Nach wenigen Jahren bricht das Geschäftskonstrukt zusammen, jetzt wird das Urteil gegen den früheren PIM-Geschäftsführer gesprochen.

Eigentlich hätten in Tresoren drei Tonnen Gold liegen müssen. Gefunden wurde nach der Insolvenz des Goldhändlers PIM aus Südhessen ein Bruchteil dieser Menge. Anleger hatten nach dem Versprechen üppiger Renditen über Jahre Tausende oder Hunderttausende Euro in das Geschäftsmodell investiert. Am Schluss stehen sie fast mit leeren Händen da.

Einige Betroffene verlieren nach den Worten von Staatsanwalt Hanno Wilk ihre komplette Altersvorsorge. In einem Mammutverfahren verhandelt das Landgericht Darmstadt seit zwei Jahren gegen den früheren Geschäftsführer wegen des Verdachts des schweren Betrugs und der Geldwäsche. Am Dienstag will die Kammer mit dem Vorsitzenden Richter Felix Diefenbacher ihr Urteil sprechen.

Bei dem nicht zuletzt wegen der Pandemie sich hinziehendem Prozess war bei fast 90 Verhandlungstagen vom Einsatz von Privatdetektiven, von Goldgeschäften auf Autobahnraststätten, gierigen Vertriebsmitarbeitern sowie Defiziten in der Organisation und in der Buchhaltung die Rede. Nach Angaben von Verteidigerin Stefanie Schott wurden fast 200 Zeugen gehört. Es habe zudem 28 sogenannte Selbstlesungen von Unterlagen zur Verfahrensvereinfachung gegeben - rund 7000 Seiten. Das bedeutet, dass die Akten nicht im Prozess verlesen werden müssen, sondern außerhalb gesichtet werden können.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft in ihrer 226 Seiten umfassenden Anklageschrift: PIM Gold aus Heusenstamm soll von 2016 bis 2019 mit Kunden Lieferverträge einschließlich Bonusversprechen über Gold abgeschlossen, diese aber nicht erfüllt haben. Zinsen sollen nach einer Art Schneeballsystem mit dem Geld neu angeworbener Kunden ausgezahlt worden sein. Der 51-jährige Ex-Geschäftsführer sitzt seit mehr als drei Jahren in Untersuchungshaft. Das Verfahren ins Rollen brachte 2017 ein ehemaliger Mitarbeiter, der sich mit dem inzwischen Angeklagten überwarf und Anzeige erstattete. Im September 2019 wurde Haftbefehl gegen den heute 51-Jährigen vollstreckt, und die Firma ging in die Insolvenz. Den Anzeigenerstatter bezeichnete die Verteidigung in ihrem Plädoyer selbst als "Straftäter".

Im Ansatz betrügerisch oder nicht?

Für Staatsanwalt Wilk ergab die zweijährige Beweisaufnahme: "Die Aufsetzung des Geschäftsmodells war von Anfang an betrügerisch geplant." Der Angeklagte sei mit der Führung des Unternehmens überfordert gewesen. Kunden sei suggeriert worden, dass Gold eingelagert worden sei. "Tatsächlich ist das aber nicht passiert." Auch den Vorwurf der Geldwäsche sieht die Anklage als erwiesen an. Dabei sollen mehr als drei Millionen Euro kriminelle Gewinne eines Geschäftes in Frankfurt über die Konten des Goldhändlers in die Türkei transferiert worden sein. Zugutekämen dem früheren Chef unter anderem die Bedingungen der Untersuchungshaft, der lange Prozess sowie ein Teilgeständnis. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Strafe von siebeneinhalb Jahren.

Die Verteidigung wertet die Angaben ihres Mandanten als umfassendes Geständnis. Das Geschäft sei nicht von Beginn an als Schneeballsystem geplant gewesen. Der Angeklagte habe 2017 erkannt, dass das Modell nicht tragfähig sei. "Er behielt dabei die Probleme für sich", sagt Anwalt Jakob Lehners. "Er hat die Verantwortung dafür übernommen, dass weiter Verträge abgeschlossen und Menschen geschädigt wurden."

Er habe die Schuld übernommen und die Vorwürfe eingeräumt, sagt auch Anwältin Schott. Eine Geldwäsche sei höchstens leichtfertig gewesen. Neben dem Geständnis, dem langen Verfahren und dem Kooperationswillen ihres Mandanten sieht auch Schott die mehr als drei Jahre Untersuchungshaft teils unter verschärften Bedingungen in der Pandemie als Faktoren für ihren Mandanten. Er habe 23 Stunden am Tag in seiner acht Quadratmeter großen Zelle gesessen. "Er hatte keinen Kontakt zu anderen Menschen." Die Verteidigung fordert eine Strafe von maximal fünf Jahren und neun Monaten und beantragte die Aufhebung des Haftbefehls.

Wo Gold oder Geld blieben, konnte auch Insolvenzverwalter Renald Metoja in dem Verfahren nicht beantworten. Statt der besagten drei Tonnen Edelmetall seien rund 270 Kilogramm Feingold und 180 Kilogramm Schmuck gefunden worden. Er sprach von mehr als 7000 Gläubigern mit berechtigten und geprüften Forderungen von 140 Millionen Euro. Mit der Veräußerung der Firmenwerte hätten sie einen kleinen Teil ihrer Investitionen zurückbekommen. Der Angeklagte entschuldigte sich in seinem Schlusswort den Tränen nahe: "Es tut mir wirklich aufrichtig leid."

Quelle: ntv.de, Oliver Pietschmann, dpa

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