"Von Glänzendem angezogen" Professor bestahl über Jahrzehnte das schottische Nationalarchiv
26.03.2025, 12:05 Uhr Artikel anhören
Der Wissenschaftler nutzte seine Besuche in Edinburgh für die Diebstähle.
(Foto: picture alliance / Sipa USA)
Über 30 Jahre werden mehr als 3000 historische Dokumente aus dem schottischen Nationalarchiv gestohlen. Der Übeltäter ist ausgerechnet ein anerkannter Historiker. Das Archiv spricht von "historischen Diebstählen in einem beispiellosen Ausmaß".
Das schottische Nationalarchiv ist nach Jahrzehnten dem mysteriösen Verschwinden von mehr als 3000 historischen Dokumenten auf die Spur gekommen. Über einen Zeitraum von 30 Jahren hinweg waren im Archiv immer wieder Schriftstücke verloren gegangen.
Der Diebstahl war offensichtlich geworden, als ein Archivar des National Records (NRS) of Scotland 1994 eine Auktion in London besuchte. Dort entdeckte er, dass 200 der zum Verkauf stehenden Dokumente dem Archiv gehörten. Einige waren noch immer mit ihren NRS-Referenznummern gekennzeichnet. Die Auktion speiste sich unter anderem aus dem Nachlass des Historikers David Macmillan, der 1987 gestorben war.
Für das schottische Nationalarchiv war Macmillan kein Unbekannter. Er hatte in den Jahren von 1969 bis 1980 das NRS-Archiv immer wieder besucht. Wie der Leiter der Abteilung für mittelalterliche und frühneuzeitliche Aufzeichnungen, Alan Borthwick, dem "Guardian" sagte, suchte Macmillan zumeist nach Korrespondenz, insbesondere aus Teilen der Welt, "in denen Schotten in allgemeine persönliche oder geschäftliche Angelegenheiten verwickelt waren".
Auf frischer Tat ertappt
Der in Ayrshire geborene Macmillan hatte zunächst an der Universität Glasgow Geschichte studiert und lehrte später an der Universität Sydney und der Trent University im kanadischen Ontario. Bei einem seiner Besuche in Schottland wurde er beim Mitnehmen eines einzigen Gegenstands aus dem Archiv in Edinburgh erwischt. Daraufhin sei ihm der Zugang zum Archiv sofort entzogen worden. Allerdings waren die mit dem Fall betrauten Mitarbeitenden davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Diebstahl um einen Einzelfall handelte.
Dies erwies sich jedoch als Irrtum. In Macmillans Nachlass wurden insgesamt 3100 Gegenstände identifiziert, die er sich unrechtmäßig angeeignet hatte. 2000 davon wurden aus den Archiven des NRS gestohlen, andere direkt aus anderen Institutionen im Vereinigten Königreich, darunter den National Archives und der University of Glasgow, der University of Edinburgh und der National Library of Scotland. Etwa 500 Gegenstände gehörten zu Privatsammlungen, bei 100 Gegenständen ist die Herkunft unbekannt.
Borthwick zufolge fühlte sich der diebische Historiker "wie eine Elster von etwas 'Glänzendem' angezogen, auch wenn die meisten Menschen die Anziehungskraft nicht erkennen konnten". Die Geschäftsführerin des schottischen Nationalarchivs, Alison Byrne, spricht im Guardian von "historischen Diebstählen in einem beispiellosen Ausmaß".
Inzwischen ist es gelungen, fast alle Dokumente wieder dorthin zurückzubringen, wo sie vor den Diebstählen aufbewahrt wurden. Das Archiv hat auch seine Sicherheitsmaßnahmen extrem verstärkt. Diese sollen die Sammlung von 38 Millionen Dokumenten, die fast 1000 Jahre schottischer Geschichte abdecken, künftig besser vor ähnlichen "Elstern" schützen.
Quelle: ntv.de, sba