"Ich finde es grausam"Rentner sagt bei Paketbomben-Prozess aus

Der Prozess um die Paketbombenserie in süddeutschen Lebensmittelfirmen geht in die erste Runde. Eines der Opfer schildert dramatische Szenen, kämpft bis heute mit Folgeschäden. Der angeklagte Rentner weist die Anklage jedoch zurück - und macht stattdessen der Justiz Vorwürfe.
Als ein Mitarbeiter der Getränkefabrik Wild zum Auftakt des Prozesses um eine Briefbombenserie bei Lebensmittelfirmen in Bayern und Baden-Württemberg mit vier Verletzten aussagt, blickt der Angeklagte Klaus S. am Landgericht Heidelberg vor sich auf den Tisch. "Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden", berichtet der Mann, der das erste Opfer von insgesamt drei Paketbomben wurde. S. will mit den Taten jedoch nichts zu tun haben.
Es sei das letzte auf einer Palette von Paketen gewesen, die nicht an spezifische Abteilungen oder Mitarbeiter adressiert gewesen seien, sagte der Wild-Mitarbeiter. "Ich habe gedacht, ich fliege 20 Meter hoch - alles war schwarz vor Rauch." Er habe als Folge der Explosion Rauschen und Piepen in seinen Ohren gehört. Sein Gleichgewichtssinn sei beschädigt worden, was Schwindel ausgelöst habe.
Bis heute hat der Mann nach eigenen Angaben Probleme beim Einschlafen. Hinzu kommen unter anderem Schmerzen an der rechten Schulter beim Belasten. Mittlerweile seien seine Beschwerden besser geworden. Seit Mitte Mai arbeite er wieder - auf seiner alten Stelle in Eppelheim. Sein Arbeitgeber habe ihm eine andere Stelle angeboten. "Ich liebe aber diesen Platz - ich will ihn behalten", sagt der Angestellte.
Justiz versucht "mein Leben zu zerstören"
S., der wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, gefährlicher Körperverletzung und versuchter schwerer Körperverletzung angeklagt ist, weist die Vorwürfe jedoch zurück. "Ich finde es grausam, wie die deutsche Justiz versucht, mit viel Aufwand und Energie mein Leben zu zerstören", sagt er.
Er sei nicht derjenige, der auf den Bildern einer Überwachungskamera einer Postfiliale in Ulm zu sehen sei. Einen Schal, eine Mütze und einen Mantel, wie sie dort zu sehen seien, habe er nie besessen. In seinem Leben habe er nie etwas mit der Justiz zu tun gehabt und hoffe nun auf Gerechtigkeit.
Der verrentete Elektroniker beschreibt sich selbst als "anständigen Bürger". Er besitze mit seiner Frau seit Ende der 1990er Jahre ein Reihenhaus und habe sich jahrelang in einem Blindenverband und in einem Arbeitskreis für die Freizeitgestaltung behinderter Menschen ehrenamtlich engagiert. Fragen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft oder der Nebenklage will S. nicht beantworten. Im Laufe des Verfahrens will er sich auch nicht mehr äußern.
Zentralfeuerpatronen als Beweismittel gefunden
Insgesamt soll S. am 15. Februar drei selbstgebaute Sprengsätze verschickt haben - an Wild, an die Zentrale des Discounters Lidl in Neckarsulm und an den Babykosthersteller Hipp. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte S. die Unternehmen erpressen.
Der erste Sprengsatz explodierte am 16. Februar gegen 11 Uhr bei Wild. Bei der Detonation der zweiten Paketbombe wurden einen Tag später in einem Verwaltungsgebäude von Lidl drei Menschen verletzt, einer von ihnen schwer. Der dritte Sprengsatz an Hipp wurde in einem Paketverteilzentrum abgefangen und unschädlich gemacht.
Wenige Tage nach dem Fund der dritten Paketbombe wurde S. von Spezialkräften festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Bei einer Durchsuchung wurden 13 Zentralfeuerkartuschen mit unterschiedlichem Kaliber sowie zwei Zentralfeuerpatronen als Beweismittel gefunden. Eine Besitzerlaubnis dafür hatte S. laut Anklage nicht.
Drohungen gegen die Unternehmen gab es unmittelbar im Vorfeld der Paketbombenserie nicht. Als Absender standen auf den Paketen den Ermittlungen der Polizei zufolge drei Frauennamen, gut leserlich gedruckt. Doch die Genannten gibt es nicht. Die Adressen hingegen schon. Sie gehören den Angaben nach zu Studentenwohnheimen in Ulm, Augsburg und München. Auf diesem Wege finden die Polizisten auch heraus, dass nicht nur die zwei Pakete aufgegeben wurden, sondern auch das dritte an Hipp.