Panorama

"Katastrophe epischen Ausmaßes" Mehrere Tote nach massivem Hochwasser

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Die Hochwasser-Lage in Osteuropa ist angespannt. In Rumänien, Polen und Österreich kommt es zu Toten, in Tschechien werden mehrere Menschen vermisst. Polens Regierungschef Tusk sieht eine "dramatische Herausforderung", ein erster Staudamm läuft dort über.

Die Hochwasser-Lage hat sich in mehreren Nachbarländern Deutschlands zugespitzt. In Polen gibt es ein erstes Todesopfer. "Wir haben den ersten bestätigten Tod durch Ertrinken hier, im Bezirk Klodzko", sagte Regierungschef Donald Tusk, der dort an einer Sitzung des Einsatzstabs teilnahm. Tusk wiederholte seinen Appell an die Bevölkerung, die Evakuierungsaufrufe der Behörden ernst zu nehmen und sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. "Die Situation ist an vielen Orten dramatisch."

Die niederschlesische Kleinstadt Klodzko mit 26.000 Einwohnern liegt hundert Kilometer südlich von Breslau an der Glatzer Neiße, einem Nebenfluss der Oder. Dort betrug der Wasserstand der Glatzer Neiße am Morgen 6,65 Meter. Üblich ist ein durchschnittlicher Wasserstand von einem Meter.

Im Glatzer Schneegebirge an Polens Grenze zu Tschechien war die Situation an einem Staudamm kritisch. "Der Damm in Miedzygorze läuft über. Obwohl Wasser abgelassen wurde, hat er seinen Höchststand erreicht! Der Wasserzulauf ist riesig", schrieb die Gemeinde Bystryca Klodzka auf X. Bewohner tiefer gelegenen Dörfer wurden laut Wasserwirtschaftsbehörde evakuiert. Der Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Damm am Wilczka-Bach ist 29 Meter hoch, das Hochwasserschutzbecken kann fast eine Million Kubikmeter Wasser fassen. Bereits während des Hochwassers von 1997 reichte dies nicht aus - auch damals trat das Wasser über den Damm.

Gemeinde in Tschechien von Außenwelt abgeschnitten

In Tschechien werden nach Angaben der dortigen Behörden vier Menschen vermisst. Hier ist besonders das Grenzgebiet zu Polen im Osten des Landes betroffen. Mehr als 250.000 Haushalte sind ohne Strom, wie die Agentur CTK unter Berufung auf die Energieversorger berichtet. Am dramatischsten ist die Lage demnach in der östlichen Region Mährisch-Schlesien an der Grenze zu Polen. Allein dort mussten mehr als 100.000 Haushalte ohne Elektrizität auskommen. Wegen der aufgeweichten Böden waren zahlreiche Bäume auf oberirdische Freileitungen und Hochspannungsleitungen gestürzt. Die Niederschläge sollen Vorhersagen zufolge bis einschließlich Montag andauern.

Im tschechischen Krnov sammeln sich Trümmer auf einem kleinen Überweg am Fluss Opavice.

Im tschechischen Krnov sammeln sich Trümmer auf einem kleinen Überweg am Fluss Opavice.

(Foto: dpa)

Im Bahnverkehr kam es zu erheblichen Störungen, weil Bäume auf Gleise stürzten und Gewässer Strecken überschwemmten. Rund 40 Bahnstrecken mussten ganz gesperrt werden. Im Bahnhof Studenka stand die wichtige Hauptstrecke zwischen Prag und Ostrava unter Wasser. Zahlreiche Eurocity-Verbindungen in Richtung Polen und Slowakei fielen daher aus. Die Behörden riefen die Bürger dazu auf, auf Reisen sowohl mit dem Auto als auch mit der Bahn möglichst zu verzichten.

In der Nacht ordnete der Bürgermeister von Cesky Tesin die Evakuierung von mehreren Tausend Einwohnern aus dem Stadtzentrum an. Die Olsa, ein Nebenfluss der Oder, drohte dort über die Ufer zu treten. Bereits zuvor hatten in Opava am gleichnamigen Fluss Tausende Menschen wegen akuter Überflutungsgefahr ihre Wohnungen verlassen müssen. Betroffen war unter anderem die größte Plattenbausiedlung der Stadt. Auch in Krnov und anderen Städten mussten Menschen in Sicherheit gebracht werden.

Im Altvatergebirge wurde die 2000-Einwohner-Gemeinde Ceska Ves durch die Wassermassen der Bela von der Außenwelt abgeschnitten. Im Südwesten Tschechiens lief die Talsperre Husinec im Böhmerwaldvorland wegen des Hochwassers über. Die darunter liegenden Gemeinden entlang der Blanice konnten indes frühzeitig gewarnt worden. An Moldau und Elbe stellte sich die Lage deutlich entspannter dar als zunächst befürchtet. Am Pegel in Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) wurde die zweite Hochwasser-Alarmstufe ("Bereitschaft") erreicht. Am Pegel Prag-Vyton lag der Stand der Moldau am Morgen rund 2,17 Meter über dem Nullpegel.

Mehrere Tote in Rumänien

In der Region Galati im Südosten Rumäniens kamen fünf Menschen durch die Fluten ums Leben, wie Rettungsdienste mitteilten. In der am schlimmsten betroffenen Region des Landes wurden zudem etwa 5000 Häuser beschädigt worden. Hunderte Menschen mussten im ganzen Land aus den Fluten gerettet werden. Auf einem Video der Rettungskräfte waren Dutzende Häuser entlang der Donau zu sehen, die unter Wasser standen.

In Galati rettet die Feuerwehr eine Frau aus vor den Fluten.

In Galati rettet die Feuerwehr eine Frau aus vor den Fluten.

(Foto: AP)

"Das ist eine Katastrophe epischen Ausmaßes", sagte der Bürgermeister des Dorfes Slobozia Conachi in der Region Galati. Es seien bei ihm rund 700 Häuser überflutet worden, berichtete Emil Dragomir. Der rumänische Präsident Klaus Iohannis erklärte seinerseits: "Wir sind einmal mehr mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert, die sich auf dem europäischen Kontinent immer stärker bemerkbar machen und dramatische Folgen haben."

Stausee in Niederösterreich droht überzulaufen

Besonders dramatisch ist die Lage auch in Österreich. In Niederösterreich kam ein Feuerwehrmann bei Auspumparbeiten ums Leben. Das Bundesland, das die Hauptstadt Wien umschließt, ist in Österreich am schlimmsten von den Fluten betroffen. Ganz Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt. Die Armee war unterstützend im Einsatz, mehrere Menschen mussten aus Häusern gerettet werden. "In den nächsten Stunden werden bis zu 50 Millimeter weitere Niederschläge prognostiziert", zitierte die österreichische Nachrichtenagentur APA den stellvertretenden Landeshauptmann Stephan Pernkopf am Morgen. Wegen der anhaltenden Regenfälle "kommt es jetzt schon und wird es weiter zu massiven Überflutungen im ganzen Land kommen", fügte Pernkopf hinzu.

In der Nacht gab es dort fast 4500 Feuerwehreinsätze, zum Teil kam es zu Evakuierungen. Laut APA waren zahlreiche Ortschaften auf dem Landweg nicht mehr erreichbar. Im Osten Österreichs wurde der Zugverkehr auf der Strecke zwischen Amstetten und St. Valentin unterbrochen, wie die staatliche Eisenbahngesellschaft ÖBB mitteilte. Die Strecke ist Teil der Bahnverbindung zwischen Wien und Deutschland.

In bayerischen Alpen Lawinengefahr

An der Elbe in Sachsen erreichte der erste Pegel Alarmstufe 2. In Schöna wurde der entsprechende Richtwert von 5 Metern am frühen Morgen überschritten, wie aus Daten des Landeshochwasserzentrums hervorgeht. Der Mittelwert liegt dort bei 1,58 Metern, gegen 10 Uhr wurden 5,39 Meter gemeldet. Im Laufe des Tages soll der Wasserstand weiter steigen. Am Abend soll der Richtwert von 6 Metern für die nächste Alarmstufe überschritten werden.

Die Bevölkerung ist zur Vorsorge aufgerufen, wie der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzegbirge mitteilte. Das Landratsamt bittet Anwohner unter anderem darum, sich auf eine eventuelle Evakuierung vorzubereiten. Verkehrseinschränkungen gibt es aktuell nur bei der Schifffahrt. Der Betrieb des Wanderschiffs sowie zweier Fähren ab Schöna und Pirna wurde eingestellt. n Dresden gilt laut Daten des Landeshochwasserzentrums Alarmstufe 1 bei einem Wasserstand von 4,45 Metern.

In den bayerischen Alpen kam es zu massiven Schneefällen. Oberhalb von etwa 1200 Metern hat eine geschlossene Schneedecke gebildet. In den Hochlagen sei diese bis zu einem Meter dick, teilte der Lawinenwarndienst Bayern. Es besteht Lawinengefahr.

Trümmer der eingestürzten Carolabrücke in Dresden entfernt

Die sächsische Landeshauptstadt Dresden rechnet damit, dass die Elbe am Vormittag einen Pegelstand von vier Metern hat und damit Alarmstufe 1 gilt. Der normale Pegelwert liegt bei rund zwei Metern. In der kommenden Woche könnte dann sogar die höchste Alarmstufe 4 gelten. Die Behörden schlossen nicht aus, dass die sieben Meter überschritten werden könnten.

Unter Hochdruck wurden deshalb die Trümmer der teilweise eingestürzten Carolabrücke über die Elbe in Dresden beiseite geräumt. Am Samstagabend wurden die ersten großen Abrissarbeiten am Teil der Brücke am Ufer zur Neustadt beendet. Die Stadt wollte so verhindern, dass sich Wasser an den Trümmerteilen staut und so zusätzlich für Überschwemmungen sorgt.

Quelle: ntv.de, joh/ghö/dpa

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