Panorama

Tote Säuglinge in OberfrankenSechs von acht Babys waren lebensfähig

17.11.2015, 17:07 Uhr
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In diesem Haus stieß die Polizei auf acht Säuglingsleichen (Foto: dpa)

Die Obduktion ist schwierig aber eindeutig: Mindestens sechs Babys aus Oberfranken hätten leben können. Warum sie sterben mussten, bleibt unklar. Im Wohnort der tatverdächtigen Mutter herrscht Entsetzen.

Für die Ermittler lichtet sich nach und nach das Dickicht von offenen Fragen rund um den Babyleichen-Fund von Wallenfels. Erste Ergebnisse der rechtsmedizinischen Untersuchungen der sterblichen Überreste der Säuglinge liegen vor. Demnach wären sechs Kinder nach der Entbindung lebensfähig gewesen, zwei vermutlich nicht. Wann sie jedoch zur Welt kamen - das konnte auch bei der Obduktion nicht geklärt werden. Der Verwesungsgrad der Leichen war wohl zu stark.

Ebenso gibt es noch keine Informationen zur Todesursache. Weitere Tests stehen aus, heißt es bei der Polizei, etwa auch zur Vaterschaftsfrage. Und auch andere Fragen bleiben, die weniger die reine Polizeiarbeit betreffen, sondern das familiäre und gesellschaftliche Umfeld der Frau sowie die soziale Dimension des Falls. Wie können so viele Schwangerschaften und Geburten unbemerkt bleiben? Und das ausgerechnet in einem 2800-Einwohner-Städtchen, in dem sich viele Bewohner gegenseitig kennen.

Kleiner Ort unter großem Schock

Die Frau war eine Einheimische, ihr Mann stammt ebenfalls aus dem oberfränkischen Wallenfels. In den Tagen nach den grausigen Funden sind viele Bewohner schockiert. Es habe nichts gegeben, was auf diese Tragödie hätte hinweisen können, sagt Bürgermeister Jens Korn. Auch viele andere Wallenfelser äußern sich ähnlich.

Der Eindruck entsteht: Die 45-Jährige hat die Schwangerschaften geschickt vertuscht, vielleicht mit weiter Kleidung. Und wer spricht wirklich die Nachbarin oder die Bekannte aus dem Ort auf eine mögliche Schwangerschaft an, wenn sie vielleicht etwas fülliger geworden ist?

Zudem bedeuten verdrängte Schwangerschaften, dass sich der Körper weniger verändert als normalerweise, sagt die Kriminalpsychologin Monika Frommel. "Es ist medizinisch erwiesen, dass der Leibesumfang bei verleugneten Schwangerschaften deutlich kleiner ist."

Letztenendes war es auch tatsächlich eine Nachbarin, die das Drama aufdeckte: Sie war misstrauisch geworden, fand eine Säuglingsleiche in dem Haus und alarmierte die Polizei. Die Durchsuchung des Hauses ist nach Ermittlerangaben inzwischen weitgehend abgeschlossen.

Polizei nimmt Ehemann unter die Lupe

Aber konnte das auch im nächsten Umfeld, also in der eigenen Familie, unbemerkt bleiben? Die Leichen waren in einem Abstellraum versteckt, eingewickelt in Plastiktüten und Handtüchern. Den Schilderungen der Nachbarn zufolge lebte die Schwiegermutter der Frau mit im Haus, dazu ihr Mann und die gemeinsamen Kinder. Die Frau hat bei der Polizei gestanden, einige Säuglinge lebend zur Welt gebracht und dann umgebracht zu haben. Ob sie auch ein Motiv genannt hat - dazu schweigen die Ermittler.

Vom Ehemann hatte sich die 45-Jährige vor einigen Wochen getrennt. Die Ermittler hegten gegen ihn einen "gewissen Tatverdacht", wie es offiziell heißt. Er soll behauptet haben, nichts bemerkt zu haben, heißt es in Medienberichten. Der 55-jährige Lebensgefährte der Mutter wurde zwischenzeitlich aber wieder aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem sich ein Tatverdacht gegen ihn nicht erhärtet hatte.

Der Fall sorgt bundesweit für Entsetzen. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Funde von Babyleichen, die Dimension des aktuellen Falles ist aber äußerst ungewöhnlich. Die Ermittlungen laufen nach Polizeiangaben weiter auf Hochtouren.

Quelle: ntv.de, shu/dpa/AFP

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