Hungerkult in Kenia Sektenführer wegen Massenmord vor Gericht
11.05.2023, 16:46 Uhr Artikel anhören
Sektenführer Mackenzie sitzt derzeit in Untersuchungshaft.
(Foto: picture alliance / AA)
Nach dem Fund von Massengräbern nahe einer kenianischen Küstenstadt kommen immer mehr erschreckende Details ans Licht: Sektenführer Mackenzie soll seine Anhänger nicht nur in den Hungertod getrieben haben, er könnte auch in den Organhandel verstrickt sein.
Gespannt warten Tausende Angehörige in Kenia auf das Gerichtsverfahren gegen den Sektenführer Paul Mackenzie. Denn noch immer werden bis zu 500 Menschen vermisst. Die Ermittler erhoffen sich vom Prozess, dass die Taten bald aufgeklärt werden und sie weitere Menschen retten und Vermisste finden können.
Am Mittwoch wurde der berüchtigte Sektenführer in Kenia dem Haftrichter vorgeführt. Er ist wegen vielfachen Mordes angeklagt, ein Schuldeingeständnis verweigert er jedoch. Der Richter des regionalen Gerichts in Kenias Hafenstadt Mombasa erklärte, es gäbe ausreichend Beweise, die die Schuld des Angeklagten nahelegen würden. Er verlängerte daher am Mittwoch die Untersuchungshaft für den Sektenführer und 16 andere Festgenommene, darunter Mackenzies Frau, um weitere 30 Tage. Richter Yusuf Shikanda begründete seine Entscheidung damit, dass eine mögliche Freilassung die derzeitigen Ermittlungen behindern könnte. Mackenzies Verteidigungsanwälte argumentierten hingegen, der selbsternannte Pastor kooperiere mit den Ermittlern. Sie würden gegen diese Entscheidung Berufung einlegen.
Mackenzie hatte sich Mitte April der Polizei gestellt, als diese mit einer Suchmannschaft den dichten Wald stürmte, in welchem sich die Sekte eingenistet hatte. Was die Polizsten zwischen den Bäumen im Gestrüpp im Shakahola-Wald nahe der kenianischen Küstenstadt Malindi fanden, entsetzt eine ganze Nation: Mittlerweile wurden 133 Leichen aus verschiedenen Massengräbern geborgen. Ermittler befürchten noch weitere Massengräber im Wald. Doch aufgrund starker Regenfälle mussten die Behörden die Suche in den vergangenen Tagen unterbrechen.
Massenaushungerung in drei Phasen geplant
Der Anführer der Sekte "Good News International Church" hatte seinen Anhängern gepredigt, dass die Welt am 15.April untergehe und nur diejenigen in den Himmel kämen, die sich zu Tode hungern. Unter den Toten im Wald sind fast die Hälfte Kinder und Jugendliche, sowie zahlreiche Frauen. Die ersten Zeugenaussagen vor Gericht von Überlebenden ermöglichen nun einen ersten Einblick in die Praktiken der Todessekte. Laut diesen plante Mackenzie die Massenaushungerung seiner Anhänger in drei Phasen: zuerst Kinder, dann Frauen, dann junge Männer und schließlich die restlichen Männer und er selbst.
Vier trauernde Angehörige von Hungersnotopfern stellten Mackenzie als einen herrischen Mann dar, der seine Anhänger durch extreme Lehren von ihren Familien und der Gesellschaft abgeschnitten habe. Er hätte ihnen beim Eintreffen im Wald die Telefone abgenommen und verboten, mit Verwandten in Kontakt zu treten.
Das Rote Kreuz erhält derzeit fast täglich Anrufe von besorgten Kenianern, die vermisste Angehörige melden und sie unter den Toten vermuten. Von bis zu 500 weiteren Vermissten ist derzeit die Rede. Kenias Behörden bemühen sich, durch DNA-Analysen die Identitäten der Leichen festzustellen. "Wir haben noch viel mehr Gräber in diesem Wald", sagte Innenminister Kithure Kindiki, der den Tatort besuchte: "Daher kommen wir zu dem Schluss, dass es sich hier um ein hochorganisiertes Verbrechen handelte", sagte Kindiki anschließend auf einer Pressekonferenz. Kenias Präsident William Ruto hat eine Untersuchungskommission eingerichtet, die die Hintergründe der Sekte und mögliche Vernetzungen zum Organisierten Verbrechen aufdecken sollen.
Hinweise auf Organhandel
Zunächst wurde vermutet, dass die meisten Menschen durch Unterernährung gestorben sind. Doch die systematische Obduktion der Leichen fördert nun weitere erschreckende Details zutage, die weit über die Machenschaften eines Sektenführers hinausgehen. "Bei Obduktionen wurde festgestellt, dass in einigen Leichen exhumierter Opfer Organe fehlten", erklärte Chefinspektor Martin Munene in einer eidesstattlichen Erklärung, die am Montag bei einem Gericht in Nairobi eingereicht wurde.
Neben Mackenzie ist auch der berühmte kenianische Fernsehprediger Ezekiel Odero wegen der Massenmorde angeklagt. Doch das Gericht ließ ihn vergangene Woche gegen Kaution frei. Die Ermittler verdächtigen Odero, für Mackenzie Geld gewaschen zu haben, was auf kriminelle Machenschaften hinweist. Dies geht aus Gerichtsdokumenten hervor, in denen die Polizei sagt, dass "riesige Bargeldtransaktionen" stattgefunden hätten, die vermutlich mit dem Verkauf von Häusern von Mackenzies Anhängern in Zusammenhang stehen. Das Geld aus dem Hausverkauf sei auf Oderos Bankkonto eingegangen.
Man gehe davon aus, dass der Handel mit menschlichen Körperorganen unter Einbeziehung mehrerer Akteure gut koordiniert worden sei, sagte Chefermittler Munen, ohne nähere Angaben zu machen. Die Untersuchungskommission solle mögliche Verbindungen zum Organisierten Verbrechen aufdecken.
Quelle: ntv.de