Panorama

Eindämmen und impfen Streeck hat "keine großen Sorgen vor B.1.617"

Hendrik Streeck ist Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Bonn. Mit der sogenannten Heinsberg-Studie hat er den ersten großen Coronavirus-Ausbruch in Deutschland im Frühjahr 2020 erforscht.

Hendrik Streeck ist Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Bonn. Mit der sogenannten Heinsberg-Studie hat er den ersten großen Coronavirus-Ausbruch in Deutschland im Frühjahr 2020 erforscht.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wenn es mit dem Impfen weiter gut klappt, bekommt Deutschland auch die sogenannte indische Coronavirus-Variante in den Griff, ist sich Virologe Hendrik Streeck im ntv-Interview sicher. Unsicherheiten sieht er noch bei der Frage, ob Kinder geimpft werden sollten - und vertraut ganz auf das Urteil der STIKO.

ntv: Können Sie vorhersagen, welche Entwicklung uns in Deutschland mit der indischen Mutante bevorsteht?

Hendrik Streeck: Nun, Vorhersagen sind natürlich immer ein bisschen schwierig. Was wir bisher über die indische Variante wissen, ist leider noch nicht ganz so viel. Klar ist aber, dass die Impfstoffe genauso auch gegen diese Variante wirksam sind.

Was ist bisher aus den Studien dazu bekannt?

Auch bei der indischen Variante sehen wir, dass alle Impfstoffe, die wir haben, also Astrazeneca, Johnson & Johnson, Biontech und Moderna, gleichermaßen gut gegen sie wirken. Das ist eigentlich erst mal ein gutes Zeichen. Das sind Laborergebnisse und noch nicht am Menschen selber herausgefunden worden. Aber wir können eigentlich aus dem Labor recht gut darauf schließen, wie es dann im echten Leben aussieht. Und das sind erstmal gute Nachrichten.

Was sollten wir angesichts der indischen Variante noch unternehmen?

Es ist erstmal gut, dass wir das jetzt versuchen einzudämmen, um nicht eine enorme Ausbreitung dieser Variante hier in Deutschland zu haben. Aber man muss sich darauf einstellen, dass sich wahrscheinlich auch überall auf der Welt die indische Variante breitmachen wird. Ob sie dominieren wird gegen die britische Variante, das wissen wir nicht. Aber wir werden wahrscheinlich auch hier eine Ausbreitung dieser Variante in den nächsten Monaten haben. Wenn das Impfen weiter rasch voranschreitet und wir vor allem auch die Risikogruppen impfen, dann sollten wir aber keine großen Sorgen vor der indischen Variante haben.

Die indische Variante ist nicht der Beginn der vierten Corona-Welle in Deutschland?

Ich bin kein Prophet, es ist natürlich schwer, sowas vorherzusagen. Aber ich denke nicht. Wir haben jetzt mehrere Effekte, die zusammenkommen. Einer der stärksten, die wir für das Coronavirus kennen, also auch für unsere heimischen Coronaviren, ist die Saisonalität. Dass durch wärmeres Wetter, höhere UV-Strahlung und viele andere Faktoren von Luftfeuchtigkeit bis hin zu unserem Verhalten, die Zahlen in Deutschland zum Sommer hin weiter nach unten gehen werden. Wir werden über die Sommermonate wahrscheinlich einen ähnlichen Verlauf haben wie im letzten Jahr.

Ist das dann das Ende der Pandemie in Deutschland?

Nein, nicht unbedingt. Man muss sich darüber klar sein, dass es irgendwann im Herbst wieder so sein kann, dass die Zahlen ansteigen. Da kann man ja jetzt die Sommermonate gut dafür nutzen, sich vorzubereiten, damit wir nicht mit einem Lockdown oder übermäßig darauf reagieren müssen.

In den USA sind ja schon 600.000 Kinder und Jugendliche geimpft worden. Wie stehen sie zum Thema Impfungen für Kinder?

Das finde ich ein schwieriges Thema. Man sollte jetzt erstmal warten, bis alle Studien vorliegen. Wir haben jetzt bisher nur Studien für Biontech. Darin wurde gezeigt, dass es eine Wirksamkeit bei Kindern gibt. Für die anderen Impfstoffe liegen solche Ergebnisse aber bisher noch nicht vor. Das Wichtige aber ist, dass man dann eine gute Güterabwägung macht.

Was meinen Sie damit?

Kinder sind weniger häufig erkrankt. Sie haben weniger häufig einen schweren Verlauf. Und auch Long Covid ist in ganz wenigen Fällen bei Kindern beschrieben. Also, dort diese Abwägung zu machen, ob man mit der Impfung nutzt oder eher schadet, das muss sich die STIKO ganz genau überlegen. Da würde ich mich auch wirklich darauf verlassen, dass die STIKO da eine gute Entscheidung trifft.

Investieren wir derzeit genug Forschungsgelder in Covid-Therapien?

Das Problem, eine Therapie zu entwickeln, haben wir für viele der viralen Erkrankungen. Das ist gar nicht so leicht. Wenn wir uns erinnern: Auch für die Influenza haben wir mehr schlechte als gute Medikamente. Wir haben einige, die die Symptome abmildern, aber nicht wirklich Medikamente, die supereffektiv gegen die Influenza vorgehen. Das ist einfach ein Problem mit respiratorischen Viren, dass wir da noch nicht so weit sind in der Forschung.

Woran liegt das?

Solche Forschung ist langwierig und es ist auch nicht gesagt, dass man in kürzester Zeit ein gutes Medikament findet. Ich glaube, es wird schon weltweit sehr viel daran geforscht, aber während der Pandemie ein wirksames Mittel zu finden ist eben schwer. Wir haben Antikörpertherapien, die zum Teil wirken. Ich bin auch eher ein bisschen pessimistisch. Daher ist die Impfung im Moment das Beste, was wir machen können - damit die Leute sich gar nicht erst infizieren.

Mit Hendrik Streeck sprach Annika de Buhr

Quelle: ntv.de

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