Panorama

Falsche Annahmen "hipper" Halter Tierheime haben ein Hühnerproblem

Die Mitarbeiter des Berliner Tierheims vermuten, dass viele Hühner aufgrund fehlender Freizeitangebote für Kinder gekauft wurden.

Die Mitarbeiter des Berliner Tierheims vermuten, dass viele Hühner aufgrund fehlender Freizeitangebote für Kinder gekauft wurden.

(Foto: picture alliance/dpa)

Jeden Tag frische Eier von den eigenen Hühnern - ein Traum, den sich auch Großstädter gern erfüllen. Doch manchen wächst die Aufgabe über den Kopf. Immer häufiger muss das Veterinäramt eingreifen.

Hühner sind für viele Städter das neue Urban Gardening. In der Corona-Krise haben noch mehr den Selbstversorger in sich entdeckt. Doch so manch ein Halter ist mit dem Federvieh überfordert - und es landet im Tierheim. Annette Rost, Leiterin des Berliner Tierheims, hat bereits Alarm geschlagen: "Wir haben in diesem Jahr deutlich mehr Hühner als sonst, oft werden sie leider auch vom Veterinäramt gebracht", so Rost. Bei anderen Tierarten sieht die Entwicklung positiver aus. "Angesichts der kritischen Situation, in der sich viele Menschen befinden, ist es toll, dass sich trotzdem viele für ein Tier aus Heim entscheiden", sagte sie.

Bei den Hühnern komme es leider immer wieder vor, dass die Fachleute vom Veterinäramt Tiere wegen unsachgemäßer Haltung beschlagnahmen müssen. "Erst kürzlich haben wir Hühner bekommen, die im Prenzlauer Berg in einem Karton auf dem Balkon gehalten wurden. Aufmerksame Nachbarn haben das Veterinäramt glücklicherweise informiert", erzählt Rost. Im Sommer musste das Tierheim fünf Hühner aufnehmen, die in Kartons auf einem Hochhausbalkon gehalten wurden und sich vor Stress gegenseitig verletzten.

"Hähne sehr schwer vermittelbar"

Beherberge das Tierheim normalerweise etwa 10 Hühner und Hähne, seien es in diesem Jahr etwa 30 gleichzeitig. "Da wir Gruppen bilden und Gehege einrichten müssen, haben wir ein Unterbringungsproblem", so Rost. Zwei Hähne lebten wegen des Platzmangels derzeit im Exotenhaus. "Hähne sind nur sehr schwer vermittelbar. Die legen keine Eier und machen Lärm", sagt Rost.

Experten raten allerdings, Hühner gemeinsam mit Hähnen zu halten. "Hähne geben eine Herdenstruktur vor und warnen die Hennen auch vor Gefahren, etwa durch Greifvögel aus der Luft", sagt etwa Antje Feldmann, Geschäftsführerin der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH).

Laut Deutschem Tierschutzbund sind die Berliner mit dem Hühnerproblem nicht allein: Auch Kollegen des Hamburger Tierschutzvereins von 1841 hätten berichtet, dass Hühnerhaltung gerade "in" sei und bekämen die Folgen zu spüren, so Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. Auch in Hamburg seien in diesem Jahr mehrere ausgesetzte Hähne sowie beschlagnahmte Hühner und Hähne aus schlechter Haltung aufgenommen worden. "Es bleibt zu hoffen, dass sich die Hühner nicht bundesweit zu einem "Problem" entwickeln und die Halter bei der Anschaffung verantwortungsvoll agiert haben", so Schmitz.

"Insgesamt eine positive Bilanz"

In Berlin gehören Haustiere grundsätzlich aber zu den Gewinnern der Corona-Zeit. "Seit Mitte März bis Ende November sind 53 Prozent weniger Kaninchen im Tierheim abgegeben worden als im Vorjahreszeitraum", sagt Tierheimchefin Rost. Deutlich weniger Abgaben gab es auch bei den Katzen (37 Prozent). Bei den Kleintieren lag der Rückgang bei zwölf Prozent. Allerdings wurden jeweils auch weniger Tiere vermittelt als im Vorjahreszeitraum. "Trotzdem ziehen wir bisher insgesamt eine positive Bilanz."

Dem Ende der Pandemie sieht die Tierheimchefin mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits könnten dann zwar wieder viele Angebote für Besucher gestartet werden. Andererseits rechne sie auch damit, dass eine erhebliche Zahl der in der Corona-Zeit angeschafften Tiere wieder abgegeben wird. "Für viele Menschen sind Tiere Ersatz für Sozialkontakte." Wenn diese wieder in größerem Umfang erlaubt seien und auch viele Menschen nicht immer so viel im Homeoffice arbeiten müssten, sei es möglich, dass für die Tiere dann weniger Zeit sei.

Quelle: ntv.de, Anja Sokolow, dpa

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