Panorama

Unmoralisches Angebot? Tönnies-Subunternehmer planen Kurzarbeit

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(Foto: imago images/Gottfried Czepluch)

Zwei Tönnies-Subunternehmer werben bei ihren Mitarbeitern für Kurzarbeit. Doch der Vorschlag ist nicht ohne Hintersinn: Der deutsche Staat zahlt den Arbeitern seit Schließung des Werks bereits das volle Gehalt. Doch möglicherweise wollen sich die Chefs davon eine Scheibe abschneiden.

Während in der Tönnies-Fleischfabrik im Kreis Gütersloh die Arbeit ruht, wollen zwei miteinander verbandelte Subunternehmen, die im Auftrag von Tönnies arbeiten, Kurzarbeit beantragen. Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" soll der Antrag sogar rückwirkend gestellt werden. Das Blatt beruft sich dabei auf eine Mitteilung der beiden Geschäftsführer der MTM Dienstleistung GmbH "an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma MTM", in der sie ankündigen, dass "ab dem 20. Juni 2020 bis auf weiteres Kurzarbeit eingeführt" werde. Das ist genau der Samstag vor zwei Wochen, an dem der Kreis Gütersloh den Schlachtbetrieb im Tönnies-Stammwerk Rheda-Wiedenbrück untersagt hatte. Laut Bericht sind auch Mitarbeiter des anderen Subunternehmens MGM betroffen, dessen Geschäftsführungen verflochten miteinander sind. Die unappetitliche Pointe an dem Vorschlag: Den Arbeitern steht laut Deutschem Gewerkschaftsbund eigentlich das volle Gehalt zu, schrieb die SZ. Das zahle nämlich seit Betriebsschließung weder Tönnies, noch die Subunternehmer, sondern der deutsche Staat.

Doch der Reihe nach: MGM mit Sitz in Schloß Holte-Stukenbrock ist eines jener Subunternehmen, die für die Fleischfabrik Tönnies Arbeitskräfte zur Verfügung stellen. Gesellschafter Dumitru Miculescu ist laut SZ zugleich Geschäftsführer der MTM Dienstleistung GmbH. Die beiden Unternehmen haben nicht nur dieselbe Adresse, sondern bieten auch die gleiche Leistung an, "die Fleisch-Grobzerlegung und Schlachtung in industriellen Betrieben", heißt es in dem SZ-Bericht weiter. Gewerkschaften schätzen demnach, dass die beiden Firmen jeweils mehrere Hundert Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigen, die im Auftrag von Tönnies Schweine und Rinder zerschneiden. Seit dem massiven Coronavirus-Ausbruch im Tönnies-Werk mussten die Werkvertragsarbeiter in ihren Unterkünften bleiben.

In dem Schreiben der MTM-Chefs heißt es demnach, "für den Arbeitnehmer" solle nun "Kurzarbeit Null" gelten. Man werde "unverzüglich" bei der Arbeitsagentur einen Antrag stellen. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben dann in der Regel Anspruch darauf, dass ihnen die Arbeitslosenversicherung mindestens 60 Prozent ihres Gehalts zahlt. Der Arbeitgeber spart sich diese Kosten. In der Mitteilung der MTM-Chefs heißt es weiter, dass alle Leistungen, die Arbeitnehmer "zu späteren Zeitpunkten" bekämen, "entsprechend der verkürzten Arbeitszeit ermittelt" würden. Gemeint seien etwa "Urlaubsentgelt" oder "Entgeltfortzahlung". Auf diese Weise könnten die Subunternehmer offenbar noch mehr Geld sparen - auf Kosten der Mitarbeiter. Eine Regelung sei das, sagt Armin Wiese von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, der in anderen Unternehmen wohl kaum ein Betriebsrat zustimmen würde.

Mitarbeiter um das volle Gehalt geprellt?

Doch das ist noch nicht die ganze Geschichte: Die SZ zitiert den Gewerkschafter Szabolcs Sepsi vom DGB-Projekt "Faire Mobilität". Der bestätigt, dass mehrere Mitarbeiter von MGM und MTM bereits gebeten worden seien, Kurzarbeitsbescheide zu unterschreiben. Auf seiner Facebook-Seite warnt das Projekt die Arbeiter in rumänischer Sprache davor, sich auf solche Vereinbarungen einzulassen. Sie hätten nämlich ein Recht auf ihr volles Gehalt. Und das zahle zur Zeit gar nicht der Subunternehmer. Der Grund: Denn wenn ein Gesundheitsamt einen Betrieb schließt, muss der Staat laut Infektionsschutzgesetz für die Löhne aufkommen. Bei Tönnies-Subunternehmen seien das im Schnitt 1200 Euro netto, rechnete der örtliche Caritas-Vorstand Volker Brüggenjürgen der Zeitung vor.

Einer der Subunternehmer versicherte laut dem Bericht, alle MGM-Mitarbeiter erhielten diese Entschädigungen vom Staat. Keiner von ihnen sei "verpflichtet, Tabellen für Kurzarbeitzeit zu unterschreiben, wie spekuliert wird", zitierte die SZ den Subunternehmer. Erst wenn die Quarantäne aufgehoben werde, "werden wir analysieren, für wie viele Mitarbeiter wir Kurzarbeitszeit beantragen". Zur Situation bei MTM gab es keine Stellungnahme.

Quelle: ntv.de, mau

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