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Testzentren überlastet Ugandische Männer stürmen Vaterschaftslabore

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Mamas Baby, Papas maybe.

Mamas Baby, Papas maybe.

(Foto: imago images/Klarsicht)

In Uganda lassen derzeit Tausende Väter untersuchen, ob die Kinder, die sie als eigene ansehen, tatsächlich biologisch von ihnen abstammen. Auslöser ist der Fall eines Mannes, bei dessen sechs Kindern sich herausgestellt hatte, dass keines von ihm war. Doch das Problem liegt tiefer.

Als eine "weitere Pandemie" bezeichnet Ugandas Minister für Kommunikationstechnologie, Chris Baryomunsi, den derzeitigen Ansturm auf Ugandas Test-Labore, die seit der Corona-Pandemie zumindest in der Hauptstadt an jeder Straßenecke zu finden sind. Doch dieses Mal verlangen die Ugander keine Corona-Test, sondern Vaterschaftstests.

Es war eine simple Pressekonferenz des Innenministeriums im Juni, die eine ganze Lawine an landesweiten Ereignissen auslöste. Denn Pressesprecher Simon Mundeyi berichtete von einem Vorfall, bei welchem ein Vater die Personalausweise und Pässe seiner sechs Kinder als ungültig deklarieren wollte, nachdem er herausgefunden hatte, dass sie nicht seine biologischen Kinder seien. Ein solches Verfahren sei jedoch nicht so einfach möglich, warnte der Ministeriumssprecher - nichts ahnend, dass er damit einen Schneeballeffekt lostreten würde.

Ugandas Innenministerium meldet keine zwei Wochen später Rekordzahlen bei den Vaterschaftstests im einzig dafür zugelassenen, staatlichen Labor, das dem Ministerium untersteht und eigentlich vor allem polizeiliche Ermittlungen unterstützen soll. Bis zum vergangenen Jahr habe das Labor durchschnittlich drei Vaterschaftstests pro Monat durchgeführt. Allein vergangene Woche, nachdem die Geschichte in den ugandischen Medien veröffentlicht und in den sozialen Netzwerken massenweise geteilt wurde, kamen 40 Männer in nur einer Woche zum DNA-Test.

Regelung der Grauzonen

In nur wenigen Tagen haben zahlreiche weitere, private Laboreinrichtungen auf den Hype um die Vaterschaftstests reagiert. Überall wird jetzt Werbung gemacht, Dumpingpreise angeboten. Während ein Vaterschaftstest im staatlichen Labor umgerechnet fast 200 Euro kostet, bieten einige private Einrichtungen den Test jetzt zum halben Preis an. Das Gesundheitsministerium warnt vor möglich falschen DNA-Ergebnissen, wenn die Tests nicht professionell durchgeführt werden.

Am Mittwoch bestellte das Gesundheitsministerium alle Chefs von privaten Testlaboren in Kampala zu einem Treffen ein, um neue Regeln zu kommunizieren. Laut diesen müssen sich jetzt alle Laboreinrichtungen lizenzieren lassen, um sicherzustellen, dass sie die Qualitätsstandards erfüllen, die nötig seien, diese Tests akkurat durchzuführen. Zudem dürfen solche DNA-Tests bei Kindern in Zukunft nur noch mit schriftlicher Einverständnis und unter Anwesenheit beider Elternteile durchgeführt werden.

Negative Vaterschaftstests führten bereits bei zahlreichen Behörden zu Betriebsamkeit. So erhielt Ugandas Immigrationsbehörde, die für die Ausstellung von Reisepässen zuständig ist, allein vergangene Woche 32 Anträge von Vätern, die die Pässe ihrer Kinder annullieren wollten, nachdem sie herausgefunden hatten, dass sie nicht die biologischen Kinder seien.

Aus gegebenem Anlass hat Ugandas Parlament am Dienstag das Problem debattiert und die Regierung angewiesen, eine Verordnung zu erlassen, wie mit dem Problem umzugehen sei. "Die Sache mit den derzeitigen DNA-Tests", so Vize-Parlamentsvorsitzender Thomas Tayebwa, "bedarf einer Regulierung, denn die Kinder sind die größten Opfer", polterte er im vollbesetzten Sitzungssaal.

Gesellschaftliches Problem

Viele Abgeordnete, so wird es in der Debatte deutlich, sehen hinter dem Ansturm auf die DNA-Testlabore derzeit eine Verschwörung von außen, die afrikanischen Familienstrukturen aufzubrechen. Abgeordnete Sarah Opendi, Vorsitzende des Ausschusses über Familienpolitik, zählt ebenso wie Vize-Parlamentssprecher Tayebwa zu jenem erzkonservativen Zirkel ugandischer Politiker und Politikerinnen, die im März das sogenannte Anti-Homosexualitätsgesetz im Eilverfahren durch alle Instanzen gejagt hatten. Bereits in diesem Kontext wurden Verschwörungstheorien im Parlament diskutiert, nachdem Homosexualität etwas zutiefst anti-afrikanisches sei. Jetzt beschuldigt Opendi Ugandas LGTBQI-Gemeinde eines Komplotts: "Vielleicht versuchen jetzt diejenigen, die gegen das Anti-Homosexualitätsgesetz waren, die Familienstrukturen ein für allemal mittels Vaterschaftstests zu zerstören", so Opendi.

Unterdessen warnen Kinderrechts-Organisationen vor den Folgen. Damon Wamara, Direktor des ugandischen Kinderrechts-Netzwerkes, betont, dass nach kinderfreundlichen Lösungen gesucht werden müsse, um die Frage der Vaterschaft nicht auf deren Rücken auszudiskutieren. Während DNA-Tests in Uganda ein neues Phänomen sind, werden zur Bestimmung der Abstammung und Elternschaft seit langem traditionelle Methoden eingesetzt, erklärte er. Allerdings behielten Männer, die in der Vergangenheit herausfanden, dass sie nicht die leiblichen Väter ihrer Kinder waren, diese Information meist für sich. Wamara betont, dass Kinder nicht allein aufgrund ihrer biologischen Abstammung schikaniert werden sollten, insbesondere in einer Zeit, in welcher Adoption anerkannt und akzeptiert sei.

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Als traditionelle Methode eines Vaterschaftstests wurden in der Geschichte die umstrittenen Babys von ihrem vermeintlichen Vater in einem geflochtenen Korb auf dem Victoria See ausgesetzt. Ging der Korb mit dem Baby nicht unter, war der biologische Nachweis für den Vater angeblich erbracht.

Uganda hat eine der höchsten Geburtenraten weltweit. Durchschnittlich bekommt jede ugandische Frau knapp sieben Kinder. In der Gesellschaft ist Polygamie weit verbreitet und akzeptiert, nicht nur unter der muslimischen Minderheit. Der Ugander Musa Kasera wurde zu Beginn des Jahres weltweit berühmt: Er hat mit 12 Frauen genau 102 Kinder gezeugt und hat bereits 578 Enkelkinder. Er gibt zu, er kann sich deren Namen nicht alle merken.

Quelle: ntv.de

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