Panorama

Gedenkstätte an HochhausruineUngewissheit quält Angehörige in Miami

27.06.2021, 15:20 Uhr
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Die Hoffnung, noch Überlebende in den Trümmern zu finden, schwindet. (Foto: REUTERS)

Auch vier Tage nach dem Teileinsturz eines Hochhauses in Miami suchen Retter noch mehr als 150 Vermisste. Für die Angehörigen sind es schwere Stunden. Eine Gedenkstätte gibt der Verzweiflung und der Trauer nun einen Ort.

"Vermisst" ist in Großbuchstaben neben dem Foto von Alfredo und Lorenzo zu lesen. Alfredo, auf dem Foto mit Brille und Bart, und sein Sohn im Teenager-Alter sollen sich in der Wohnung 512 des Hochhauses in Surfside befunden haben, als dieses teilweise einstürzte. Ihr Foto und die vieler weiterer der über 150 Vermissten hängen unweit der Unglücksstelle an einem Maschendrahtzaun, wo eine Gedenkstätte für die Opfer errichtet wurde.

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Unweit der Unglücksstelle haben Angehörige eine zweite Gedenkstätte eröffnet. (Foto: REUTERS)

Ein älteres Paar, das in einem Restaurant sitzt, ein junger Mann in Anzug und Fliege, ein Paar, das sich am Strand umarmt - "Wir geben diesen vermissten Menschen, diesen Eltern, diesen Kindern Gesichter", sagt Olivia Ostrow mit Tränen in den Augen. Die Französin lebt seit 20 Jahren in Surfside, nördlich von Miami Beach.

Dort war ein Flügel des zwölfstöckigen Wohngebäudes Champlain Tower in der Nacht zum Donnerstag eingestürzt. Einige Bewohner konnten sich noch über die Treppen in Sicherheit bringen oder wurden von Balkonen gerettet. Es wird befürchtet, dass viele von dem Einsturz im Schlaf überrascht wurden.

"Hier kann man Ruhe finden"

Um die Fotos herum wurden Blumensträuße aufgehängt und Kerzen entzündet. Auf Post-it-Zetteln sind Bibel-Zitate zu lesen. Bislang wurden fünf Tote aus den Trümmern geborgen, 156 Menschen galten als vermisst. In der Luft hängt beißender Geruch von verbranntem Gummi und geschmolzenem Plastik. Im Hintergrund der Gedenkstätte steigt noch immer Rauch aus den Trümmern auf. Zwei große Kräne rumoren, in der Sommerhitze Floridas setzen die Sicherheitskräfte unermüdliche ihre Suche nach den Verschütteten fort.

"Ich stehe immer noch unter Schock", sagt Gina Berlin. Sie lebt seit 30 Jahren in Surfside und Freunde von ihr wohnten in dem eingestürzten Gebäudeteil, konnten sich aber in Sicherheit bringen. Die 54-Jährige will für die Vermissten beten.

Inmitten des Lärms der Stromgeneratoren und der Rettungsfahrzeuge ist das Gedenken jedoch schwierig. Zeitweise hatte die Polizei den Aufenthalt vor der Gedenkstätte verboten. Ein paar Straßen weiter, abseits vom Tumult der Bergungsarbeiten haben Anwohner eine weitere Gedenkstätte eingerichtet. Blumensträuße, Unterstützungsbotschaften und die Namen mehrerer Vermisster zieren die Umzäunung eines Parks.

Daniela Calzadilla sitzt im Schneidersitz auf einer Bank, während ihr Hund Paco sich in der Nähe austobt. "Hier kann man Ruhe finden", sagt die 48-Jährige. "Ich kenne viele der Familien, die jemanden vermissen". Raphael Amar kommt gerade aus der Synagoge. Die Atmosphäre während der Schabbatfeier sei sehr bedrückend gewesen, sagt der 63-Jährige. Unter den Vermissten sind viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde der Stadt. Aber die Gedenkstätte zeige, "dass wir alle eine Gemeinschaft sind in dieser kleinen Stadt", sagt Raphael.

Quelle: ntv.de, Cyril Julien, AFP

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