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Immer mehr Präventionsangebote Was Kinder gegen Cybergrooming stark macht

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Die Täterinnen und Täter gehen gezielt vor und nutzen die Kinder und Jugendlichen skrupellos aus.

Die Täterinnen und Täter gehen gezielt vor und nutzen die Kinder und Jugendlichen skrupellos aus.

(Foto: picture alliance / photothek.de)

Beim Cybergrooming lauern riesige Gefahren und es folgt einem perfiden Muster. Meistens beginnt die Anbahnung bei den Chats mit Kindern und Jugendlichen ganz harmlos, freundlich, schmeichelnd. Fassen die Mädchen und Jungen dann Vertrauen, wird der Übergriff vorbereitet. Umso wichtiger ist die Aufklärung.

Was passiert beim Cybergrooming?

Kinder und Jugendliche bewegen sich völlig selbstverständlich auf sozialen Medien, chatten dort oder tauschen Nachrichten aus. Das nutzen auch Täterinnen und Täter aus, die über das Internet gezielt Kontakt zu Kindern und Jugendlichen suchen, um diese sexuell zu belästigen, zum Bildertausch oder zu Treffen zu überreden. Dabei chatten die Täter unter vorgetäuschter Identität, zunächst ohne ihre Absichten deutlich zu machen. Häufig erschleichen sie sich das Vertrauen durch Komplimente, kleine Geschenke und vermeintlich gemeinsame Interessen, bevor es dann zu Übergriffen kommt.

Wie laufen die Chats ab?

Oft beginnen die Anbahnungen mit Fragen wie: "Was machst Du gerade?", "Hast du Lust, ein bisschen zu schreiben?" oder "Willst du ein Spiel mit mir spielen?" Dann wird eine Art "Wahrheit oder Pflicht" gespielt. Häufig gibt es auch vermeintlich harmlose Fragen wie "Hast du schon mal einen Freund oder eine Freundin gehabt?" oder "Schreibst du öfter mit älteren Jungs?". Ist ein erstes freundschaftliches Band geknüpft und Vertrauen geschaffen, wird der Kontakt meist durch Komplimente intensiviert, beispielsweise: "Ich habe dich wirklich lieb" oder "Für dein Alter bist du echt reif". Darauf folgen irgendwann intime Fragen wie "Hast du schon Schamhaare?" und es werden explizite Fotos oder Videos verlangt.

Was macht Cybergrooming so perfide?

Die Täterinnen und Täter gehen systematisch vor und nutzen gezielt Plattformen, die für Kinder attraktiv und alltäglich sind, wie Chats, soziale Netzwerke und Online-Games. Dort geben sie sich oft als Gleichaltrige oder als verständnisvolle Erwachsene aus, um die Hemmschwelle der Kinder herabzusetzen und eine emotionale Bindung aufzubauen. Gespräche über Hobbys, die Schule oder persönliche Probleme lassen den Kontakt zunächst harmlos erscheinen, sodass Kinder und Jugendliche den wahren Hintergrund häufig erst spät erkennen. Das Vertrauen der Kinder wird ausgenutzt, um sie zu immer privateren und intimeren Handlungen zu überreden - etwa dem Versenden von Nacktfotos oder sogar Treffen im echten Leben. Diese Materialien werden anschließend oft als Druckmittel eingesetzt, um weitere Handlungen zu erzwingen. Manchmal werden die Bilder auch im Internet verbreitet, was ein Leben lang Schaden verursachen kann.

Wie groß ist die Gefahr?

2024 wurden 3457 Fälle in der bundesweiten Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst, bei denen Täterinnen und Täter über das Internet gezielte sexuelle Kontakte zu Minderjährigen angebahnt haben (2023: 2580 Fälle). Das Dunkelfeld solcher Taten ist noch weitaus größer. Die Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen befragte im Januar 2000 Minderjährige ab acht Jahren zu dem Thema. Sieben Prozent gaben an, dass sie im Netz schon einmal aufgefordert wurden, sich vor der Kamera auszuziehen. Rund ein Drittel hatte schon einmal mit Fremden online gechattet.

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Welche Auswirkungen haben Erfahrungen mit Cybergrooming auf Kinder und Jugendliche?

Die Folgen dieser Erfahrungen können langanhaltend sein, selbst wenn es nicht unmittelbar zu einem Übergriff gekommen ist. Sie reichen von Vertrauensverlust über soziale Isolation bis hin zu schwerwiegenden Traumata. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen leiden häufig unter psychischen Belastungen wie Schuldgefühlen, Angst und Scham, weil sie glauben, selbst Schuld an dem sexualisierten Kontakt zu sein, oder bedroht werden.

Wie sollen Kinder davor geschützt werden?

Eltern und Betreuungspersonen erkennen Cybergrooming oft erst spät, weil die Kontaktaufnahme zunächst harmlos wirkt und die Täter ihre Opfer geschickt manipulieren. Deshalb gibt es zahlreiche Präventionsprogramme für Eltern, Kinder und Lehrkräfte, die auf Aufklärung, Sensibilisierung und Handlungskompetenz im Umgang mit Online-Gefahren setzen. Präventionspakete wie das Projekt "Flizzy in Gefahr" und Plattformen wie Klicksafe.de bieten umfangreiche Materialien, Unterrichtsmodule und Elternratgeber, um das richtige Verhalten im Netz zu fördern und konkrete Handlungsempfehlungen zu geben. So sollen schon Grundschulkinder lernen, Cybergrooming-Situationen zu erkennen und damit auch umzugehen. Den Mädchen und Jungen werden Regeln für sicheres Chatten und Wege, sich Hilfe zu holen, erklärt.

Hilfe bei Cybergrooming

An diese Hilfsangebote können sich Eltern oder Kinder wenden:

N.I.N.A. e. V., Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 0800 / 22 555 30 – Beratung von Betroffenen und Helfenden
Nummer gegen Kummer Kinder- und Jugendtelefon: 116 111
Nummer gegen Kummer Elterntelefon: 0800 / 110 550
Weißer Ring: Opfertelefon 116 006 – Beratung online, telefonisch und vor Ort
Jugendnotmail: Onlineberatung in Krisensituationen
Hilfeportal sexueller Missbrauch: Onlinesuche nach Beratungsstellen in der Nähe

Was macht Kinder oder Jugendliche besonders angreifbar?

Die Täterinnen und Täter suchen gezielt nach Teenagern, die aufgrund ihrer Lebensverhältnisse empfänglich für eine Anbahnung sind. Das können etwa familiäre Probleme oder Mobbingerfahrungen sein. Für diese Informationen werden gezielt Profilbeschreibungen von Kindern genutzt. Hinzu kommt, dass sich Kinder und Jugendliche in diesem Alter zunehmend von ihren Eltern lösen und gleichzeitig beginnen, ihre Sexualität zu entdecken. Eine vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung ist nach Ansicht von Expertinnen und Experten ein guter Schutz gegen Cybergrooming.

Was rät die Polizei?

Eltern sollten mit ihren Kindern gemeinsam vereinbaren, dass bei einer Nutzung von Online-Diensten niemals private Daten wie die Adresse und Telefonnummer mitgeteilt werden dürfen. Die Eltern sollten die Mädchen und Jungen dafür sensibilisieren, dass es Menschen gibt, die sich als Kinder oder verständnisvolle Gesprächspartner ausgeben und sehr raffiniert vorgehen, um ihr wahres Alter oder ihre wahren Absichten zu verbergen. Kinder sollten besonders vorsichtig sein, wenn der Chatpartner:

  • sie in private Chats locken will
  • darauf drängt, dass die Kontakte geheim bleiben
  • Fotos oder Videos verlangt
  • Nachrichten mit sexuellem Inhalt versendet
  • Kein "Nein" akzeptiert
  • persönliche Daten fordert und sich "offline" treffen möchte
  • Geld oder Geschenke anbietet

Ist Cybergrooming strafbar?

Wer Kinder und Jugendliche im Internet mit sexueller Absicht bedrängt, muss mit Gefängnisstrafen rechnen. Die Taten werden mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet. Cybergrooming ist bereits strafbar, wenn allein die Absicht besteht, Kinder zu sexuellen Handlungen zu bringen - es muss nicht zu einer tatsächlichen Tat kommen.

Was müssen die Internetkonzerne unternehmen, um Cybergrooming zu verhindern?

Internetkonzerne sind gesetzlich verpflichtet, Maßnahmen gegen Cybergrooming zu ergreifen und Kinder auf ihren Plattformen zu schützen. Dies umfasst Schutzmechanismen, Meldeverfahren und Vorgaben nach dem Jugendschutzgesetz und dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Strafbare Inhalte wie Cybergrooming müssen nach Kenntnisnahme zeitnah gelöscht oder gesperrt werden. Die Plattformanbieter sind strafrechtlich aber nur dann haftbar, wenn sie von Cybergrooming-Taten Kenntnis haben und ihrer Prüf- und Löschungspflicht nicht nachkommen. Die Mechanismen dafür sind jedoch häufig lückenhaft, auch eine Altersverifikation ist bisher nicht implementiert.

Quelle: ntv.de, sba

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