Panorama

Zehn Jahre nach Mord in PerugiaWas aus Amanda Knox geworden ist

01.11.2017, 10:37 Uhr
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Auch zehn Jahre nach dem Mord an Meredith Kercher und einem Freispruch erhält Amanda Knox noch Morddrohungen. (Foto: REUTERS)

Es ist eines der bekanntesten Justizdramen der Geschichte: Vor zehn Jahren wird die US-Studentin Amanda Knox in Italien wegen Mordes an ihrer Mitbewohnerin verurteilt. Jahre später kommt sie frei. Doch bis heute bleiben viele Fragen in dem spektakulären Fall offen.

Das Haus in Perugia ist immer noch Anziehungspunkt für Sensationslustige: Hier wohnten die britische Austauschstudentin Meredith Kercher und US-Studentin Amanda Knox. Kercher wurde in der Nacht vom 1. auf den 2. November vor zehn Jahren vergewaltigt und halb nackt mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Für den Mord saß Knox vier Jahre lang in einem italienisches Gefängnis. Nach einem beispiellosen Justizdrama kam der "Engel mit den Eisaugen", wie die Angeklagte von den Medien genannt wurde, 2015 endgültig frei. Doch bis heute ist nicht geklärt, wer Kercher umgebracht hat.

Knox stand von Anfang an im Zentrum des Interesses. Zehn Jahre später hat die heute 30-Jährige einen Weg gewählt, der nicht ohne Fallen ist: den der größtmöglichen Öffentlichkeit. Die Geschichte von ihrer Verurteilung soll überall gehört werden. Sie engagiert sich nicht nur für Opfer von Justizirrtümern, gibt Interviews und hat ein Buch und eine Doku über ihr Schicksal veröffentlicht. In sozialen Netzwerken postet sie zudem massenhaft private Fotos von sich, ihrem Freund Christopher Robinson und ihren Katzen.

Man sieht Knox als Rotkäppchen verkleidet im Schwarzwald, Knox im Zoo und Knox beim Essen und Lesen. Wie passt das zusammen, wenn jemand jahrelang der Sensationsgier der Öffentlichkeit ausgesetzt war und sein Privatleben nun für jeden sichtbar in Szene setzt? Sie wolle endlich wieder ein Leben wie jeder andere Mensch auch leben, sagte Knox, die wieder in den USA wohnt, vor einiger Zeit dem Magazin "People". "Langsam kann ich wieder zum Rest der Menschheit gehören, weil ich nicht mehr gejagt werde."

Knox bekommt Todesdrohungen

Sie hätte nach dem Mord auch verschwinden können, "und niemand hätte mehr von Amanda Knox erfahren", sagte sie. "Aber ich denke, das ist der falsche Weg." Mit ihrem Freund - einem Schriftsteller - wohnt Knox in Seattle und arbeitet als Journalistin. Sie freue sich darauf, mit ihm ein Baby zu haben, erzählt sie. Hinter Gittern hätte sie diesen Wunsch fast aufgegeben. In einem anderen Interview sagt sie, dass sie auch Todesdrohungen bekomme. Sie könne nichts daran ändern, wenn Menschen sie für eine "Femme fatale" hielten.

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Rudy Guede sieht sich als Sündenbock. (Foto: imago stock&people)

Auch wenn sich das Scheinwerferlicht auf Knox konzentriert hat: An der Geschichte sind viele Personen beteiligt, die mit dem Fall auch zehn Jahre danach noch nicht abgeschlossen haben. Raffaele Sollecito, der damalige Freund von Knox, wurde zusammen mit ihr verurteilt und freigesprochen. Er kämpft in Italien immer noch um Entschädigung und seinen Ruf. Es bleibe eine "offene Wunde, die sich wahrscheinlich nie schließen wird", sagte zuletzt sein Vater Francesco Sollecito der Nachrichtenagentur Ansa.

Rudy Guede hofft noch auf Revision

Und dann ist da Rudy Guede, der einzige, der wegen Beihilfe zum Mord noch in Haft sitzt. Beihilfe bedeutet aber, dass noch jemand anderes beteiligt gewesen sein muss - doch wer? Am Tatort wurden Guedes DNA-Spuren gefunden, später wurde der Ivorer in Deutschland festgenommen und sitzt mittlerweile eine 16 Jahre lange Gefängnisstrafe ab. Er hält sich für den Sündenbock. Eine Revision lehnte das Berufungsgericht in Florenz dieses Jahr ab. Seine Anwälte versuchen es dennoch beim Obersten Gerichtshof, der am 17. November entscheidet.

"Nach der Entscheidung wissen wir, ob der Schuldige - der sicher weder Sollecito noch Knox ist - alleine Rudy ist, obwohl er sicher nicht der Haupttäter der Straftat ist", sagte sein Anwalt Tommaso Pietrocarlo. In Perugia wurde das Haus, in dem der Mord passierte, mittlerweile verkauft. Die Menschen sind froh, dass ihre Stadt aus dem Scheinwerferlicht gerückt ist. Der zuletzt von Knox geäußerte Wunsch, in die Stadt in Umbrien zurückzukehren, um das Kapitel endgültig zu schließen, kam in Italien nicht gut an. Auch nicht bei der Familie des Opfers.

"Die Tat hat starke Spuren in Perugia hinterlassen. Spuren, die immer noch nicht verschwunden sind", sagte der Familienanwalt Francesco Maresca. "Deshalb wäre eine Rückkehr von Amanda Knox unangemessen."

Quelle: Von Annette Reuther und Barbara Munker, dpa

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