US-Performende wehren sich Wenn Drag-Shows zur Zielscheibe werden
02.06.2024, 15:51 Uhr Artikel anhören
Dragking "Blaq Dinamite" ist der Präsident von Qommittee.
(Foto: AP)
Schikane, Morddrohungen, Belästigungen im Internet und sogar Gewalt: Dragqueens und Dragkings in den USA müssen um ihre Sicherheit fürchten. Zum Pride Month Juni formiert sich nun organisierter Widerstand.
Drag-Shows geraten in den USA zunehmend ins Visier erzkonservativer Menschen. Eine Gruppe von Darstellerinnen und Darstellern hält jetzt mit der Gründung einer Organisation dagegen. "Drag ist Freude, aber steht unter Beschuss. Unsere schiere Existenz, unsere Selbstentfaltung, unsere Kunst - alles wird bedroht. Und uns reicht es", heißt es in einer Erklärung von Qommittee. Formiert hat sich die Gruppe vor dem Pride Month im Juni zu Ehren von LGBTQ+, also sexuellen Minderheiten wie Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Personen, queere und intergeschlechtliche Menschen. Das Pluszeichen steht als Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter.
"Wir mussten schon immer mit Händen und Füßen für unseren Platz in dieser Welt kämpfen", erklärt Qommittee. "Aber jetzt kämpfen wir gegen eine Flutwelle des Hasses an - Doxxing, Schikane, Morddrohungen, bewaffnete Proteste, Bombenanschläge und sogar Schusswaffenangriffe." Mit Doxxing ist die Offenlegung personenbezogener Daten eines Menschen im Internet mit böswilliger Absicht gemeint.
Die Mitglieder von Qommittee wissen, wovon sie sprechen. Die Gruppe setzt sich aus derzeit rund zehn Drag-Künstlerinnen und Drag-Künstlern aus ganz Amerika zusammen, die nach eigenen Angaben direkt oder indirekt Drohungen, Belästigungen oder Gewalt wegen ihrer Auftritte ausgesetzt sind. Eine Performerin musste miterleben, wie auf das Gebäude, in dem sie im Bundesstaat Ohio auf der Bühne stand, ein Brandbombenanschlag verübt wurde.
Eine Dragqueen arbeitete im von sexuellen Minderheiten frequentierten Club Q in Colorado Springs, wo es im November 2022 zu einem tödlichen Schusswaffenangriff kam. Sie half Opfern der Schießerei, bei der fünf Menschen ermordet wurden. Ermittler sprachen später von einem Hassverbrechen. Im Club Q war auch ein anderer Drag-Performer tätig, ebenso wie im Schwulenclub Pulse in Orlando, in dem ein Terrorist vor acht Jahren 49 Menschen getötet hatte.
Hilfe und Bollwerk
Qommittee hofft eigenen Angaben zufolge, Drag-Performern und -Performerinnen sowie Gemeinden, die auf lokaler Ebene so gut wie keine Unterstützung bekommen, Hilfsmittel an die Hand zu geben - etwa Therapieplätze und rechtlichen Beistand. Fürs Erste aber ist Qommittee damit beschäftigt, einen Dialog zwischen seinen Mitgliedern und den örtlichen Strafverfolgungsbehörden herzustellen, wie die Organisatoren sagen.
Man verstehe sich als zentrale Drehscheibe für Gruppen von Performenden im ganzen Land, sagt der Präsident von Qommittee, B. Williams, der als Dragking "Blaq Dinamyte" in Washington D.C. auftritt. Man wolle Betroffenen Mittel an die Hand geben, bei Verhandlungen mit Clubs helfen, aber auch als Bollwerk gegen die vielen Proteste gegen Drag-Shows fungieren.
Seit den vergangenen Jahren werfen erzkonservative Aktivisten und Politikerinnen Drag-Performenden vor, dass sie Kinder sexualisierten oder manipulierten in der Absicht, sie zu missbrauchen. Dies geschehe etwa über beliebte Drag-Erzählstunden, bei denen die Künstlerinnen und Künstler Kindern altersgerechte Geschichten vorläsen, so der Vorwurf. Oft verweisen Kritiker und Kritikerinnen auch auf sogenannte Drag-Brunchs, bei denen die Organisatoren die Gäste allerdings vorab auf potenziell ungeeignete Inhalte für Minderjährige hinweisen. Dass Drag-Darstellungen Kindern schaden, ist nicht nachgewiesen.
"Revolution am Laufen halten"
Erst vor wenigen Tagen sprach eine Geschworenenjury einem Performer im Staat Idaho eine Million Dollar Entschädigung zu. Er hatte einen ultrarechten Blogger angeklagt, der ihn mit der Behauptung verleumdet haben soll, er habe sich vor einer Menschenmenge mit Kindern entblößt.
Dennoch verfängt die Vorstellung, dass Drag gefährlich sei, als eine weitere Form von Rhetorik gegen sexuelle Minderheiten. Gegner tauchen bei Drag-Events mit Waffen auf. Mindestens fünf US-Staaten verabschiedeten in den vergangenen Jahren Gesetze, die Drag-Shows teilweise einschränken. In einigen der Staaten haben Gerichte eine Durchsetzung der Maßnahmen allerdings ausgesetzt.
Im Pride Month Juni sei es wichtig, daran zu erinnern, dass Drag nicht nur Kunst ist, sondern eine Branche, die Unternehmertum fördert und Jobs schafft, sagt Scott Simpson. Er half, die Mitglieder von Qommittee zusammenzubringen. Auch die Fans sollten sich einschalten: "Es ist an der Zeit, wirklich zusammenzukommen", mahnt Simpson. Schließlich sei Drag die Revolution. "Und wir wollen die Revolution am Laufen halten."
Quelle: ntv.de, Jeff McMillan, AP