Panorama

Galerie, Death Café, Escape-Room Wie Bestatter den Tod enttabuisieren wollen

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Bestatter Sven Friedrich Cordes sitzt in seiner Galerie Metavier an einem Sarg.

Bestatter Sven Friedrich Cordes sitzt in seiner Galerie Metavier an einem Sarg.

(Foto: picture alliance/dpa)

Sven Friedrich Cordes will dem Tod den Schrecken nehmen. In seinem Bestattungsinstitut steht zum Beispiel ein Sarg, der als Escape-Room genutzt wird. Viele in der Branche gehen inzwischen neue Wege.

Ohne traurigen Anlass in ein Bestattungshaus zu gehen, erscheint absurd. Oft wird die erste Begegnung mit einem Bestatter irgendwann unvermeidlich, etwa wenn Vater, Mutter oder eine kinderlose Tante gestorben ist. Der Besuch ist oft begleitet von Trauer und Unsicherheit, manchmal auch unter Schock oder in Panik. Sven Friedrich Cordes möchte das ändern. Der 40-Jährige hat vor sechs Jahren in Hannover die Galerie Metavier in seinem Bestattungsinstitut eröffnet, eine Galerie vom Anfang und vom Ende.

"Niemand kommt freiwillig zum Bestatter. Niemand will einen Sarg kaufen. Und trotzdem brauchen die Leute uns", sagt Cordes an dem großen Tisch, an dem er die Gespräche mit Hinterbliebenen führt, oft begleitet von seinem kleinen Hund Artur. Er habe sich die Frage gestellt, wie er sein Bestattungshaus zu einem lebendigen Ort machen könne, wo Menschen ins Gespräch kommen, erzählt der bärtige Mann im grünen Pullover. "Und da sind wir auf die Kunst gekommen als Vermittlerin zwischen den Welten."

Fotografien von verstorbenen Babys

Im hinteren Bereich der Galerie hängen Schwarz-Weiß-Fotos von Eltern und Geschwister, die Abschied von winzigen Babys nehmen. Die Ausstellung "Dein Sternenkind" zeigt Erinnerungsfotos, die eine Stiftung Eltern von im Mutterleib gestorbenen oder kurz nach der Geburt gestorbenen Kindern anbietet und schenkt. Die Bilder sind noch bis zum 24. November zu sehen, dann wird eine Malerei-Ausstellung aufgebaut, die sich abstrakter mit Endlichkeit beschäftigt. Kurator Johann Brandes realisiert etwa vier Ausstellungen pro Jahr. Reguläre Öffnungszeiten sind sonntags zwischen 13.00 und 17.00 Uhr.

Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Bestatter hat sich die Bestattungskultur gewandelt. Die Institute öffnen sich und machen vermehrt kreative Angebote. Das Bestattungshaus Frankenheim in Düsseldorf etwa bietet unter anderem Yoga für Trauernde an. An mehreren Orten gibt es das Angebot, die eigene Urne oder den eigenen Sarg selbst zu bauen. "Wir versuchen, Altes und Neues zu mischen", sagt Mandy Köppe, Bestatterin aus Magdeburg. "Wir erfüllen zum Beispiel Wünsche nach Trauerschmuck und nehmen dafür einen Fingerabdruck des Verstorbenen." Auch Kontakte zu Tätowierern würden vermittelt.

Galeriebesucher gestaltet Zuckerschädel

In der Galerie Metavier in Hannover bietet Ela Windels einmal im Monat ehrenamtlich einen Schreibkurs zur Trauerbewältigung an. Ebenfalls einmal monatlich können sich Interessierte im sogenannten Death Café über Themen rund um Tod und Vergänglichkeit austauschen. Die Veranstaltungen sind in der Regel abends oder an den Wochenenden. In der Galerie ist der Altar des mexikanischen Tags der Toten, Dia de Los Muertos, aufgebaut. Die Zuckerschädel haben Besucherinnen und Besucher gemeinsam gestaltet.

Der erste Raum hat große Fenster. Von außen gut sichtbar ist ein schlichter Sarg aus Holz. Der Sarg wurde als Escape-Room entwickelt. Bisher haben laut Cordes allerdings erst ein paar Menschen dieses Spiel ausprobiert, das von einem auf Escape-Games spezialisierten Team entwickelt wurde. Dass sich nur die wenigsten lebend in einen Sarg legen wollen, kann der Bestatter verstehen. Insgesamt geht es ihm darum, Ängste vor dem Tod abzubauen.

In seinen Gesprächen mit Hinterbliebenen ermutigt Cordes die Angehörigen, sich beim Abschied aktiv einzubringen - etwa indem sie dabei helfen, den Verstorbenen zu waschen und anzuziehen, ihn länger zu Hause zu behalten oder den Sarg beziehungsweise die Urne selbst zu bemalen.

"Tod braucht einen sichtbaren Platz in der Gesellschaft"

Die Galerie in Hannovers Stadtteil Linden ist eine Filiale. Der Hauptsitz von Cordes' Unternehmen, das er in dritter Generation führt, liegt in Empelde. Rund 200 Sterbefälle pro Jahr betreut das Haus. "Ich kenne mich aus mit dem Tod. Ich habe jeden Tag mit ihm zu tun", sagt er. Neben seiner Bestatter-Ausbildung hat der Hannoveraner Sozialwissenschaften studiert.

Am Anfang sei ihm vorgeworfen worden, er wolle mit der Galerie nur Kunden gewinnen, erzählt der 40-Jährige. Dabei gehe es ihm darum, den Tod zu enttabuisieren: "Der Tod braucht einen sichtbaren Platz inmitten der Gesellschaft", betont Cordes. "Hier gehört er hin. Er wird nicht besser, wenn wir ihn verstecken."

Quelle: ntv.de, Christina Sticht, dpa

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