Panorama

Epidemiologe Ulrichs bei ntv "Würde in Stadien die 2G-Regel anwenden"

Wie hier beim Vorbereitungsspiel von Union Berlin gegen Athletic Bilbao kann es in den Bundesliga-Stadien wieder etwas enger werden.

Wie hier beim Vorbereitungsspiel von Union Berlin gegen Athletic Bilbao kann es in den Bundesliga-Stadien wieder etwas enger werden.

(Foto: dpa)

Die vierte Welle baut sich auf, betroffen sind fast ausschließlich Ungeimpfte. Epidemiologe Ulrichs plädiert in ntv-Interview daher dafür, in der heute startenden Bundesliga-Saison Negativ-Getestete nicht in die Stadien zu lassen: "Dann hätte man eine größere Sicherheit, dass das Virus nicht die Ungeimpften erreicht."

ntv: Die Inzidenz liegt seit heute wieder über 30, die Neuinfektionszahlen haben sich in den letzten zwei Wochen verdoppelt. Wie ordnen Sie diese Entwicklung ein?

Der Epidemiologe Timo Ulrichs ist Professor für Medizin, Mikrobiologie und Katastrophenhilfe an der Akkon-Hochschule in Berlin.

Der Epidemiologe Timo Ulrichs ist Professor für Medizin, Mikrobiologie und Katastrophenhilfe an der Akkon-Hochschule in Berlin.

Timo Ulrichs: Wir sind im Anstieg der vierten Welle. Wenn die Zahlen sich in regelmäßigen Zeitabständen verdoppeln, ist es absehbar, dass das in einen steilen Anstieg übergeht. Wir sind jetzt gerade noch so um die 30, aber das wird sich ganz schnell ändern und dann werden wir wieder so Zahlen haben wie in den ersten Wellen.

Schauen Sie zur Einordnung ausschließlich auf die Inzidenz oder welche Kriterien ziehen Sie noch zurate?

Neben der Inzidenz schaue ich auf die Positiven-Rate der Teste und auf die Reproduktionszahl. Alles deutet auf den Anstieg zu einer weiteren Welle hin. Aber diese Welle wird sich doch sehr stark unterscheiden von der zweiten und dritten Welle. Denn die Konsequenzen werden wesentlich leichter ausfallen, also die Zahl der Krankenhauseinweisungen, die Belegung der Intensivstationen, weil eben schon sehr viele Menschen aus den Risikogruppen, von den Älteren, geimpft sind.

Braucht es also diese weiteren Kriterien zur Lagebewertung?

Ja, genau. Natürlich ist die Neuinfiziertenzahl sehr wichtig. Die gibt Aufschluss über die Dynamik, die wir ja auch gerade vor uns haben - wir laufen in eine Welle rein. Wenn man sich das genauer ansieht, stellt man fest, dass es insbesondere die jüngeren Menschen sind, die sich zurzeit anstecken. Das ist eigentlich auch nichts Neues, das hatten wir auch im Anstieg der zweiten Welle und dann auch der dritten Welle so. Erst später ist es auf die Älteren übergegangen. Diesen Übergang müssen wir jetzt aber weniger fürchten, weil von ihnen ein Großteil geimpft ist.

Steigende Infektionszahlen trotz einer Impfquote von über 56 Prozent - wie ist das zu erklären?

Der Anstieg kommt zum allergrößten Teil durch Menschen, die noch nicht geimpft sind. Der Anteil der Geimpften unter den Jüngeren ist ja noch nicht so hoch, deswegen ist es natürlich, dass da die meisten Neuinfektionen gemeldet werden. Bei einer Impfabdeckung von über 50 Prozent kann man ja noch nicht davon ausgehen, dass das wesentlich dazu beiträgt, die Virusausbreitung zu hemmen. Es gibt immer noch genug Menschen, bei denen sich das Virus einnisten kann. Da müssen wir also noch eine bessere Impfabdeckung haben, um einen breiten Effekt zu sehen. Aber wir sehen ihn schon bei den Älteren, dass wesentlich weniger schwere Covid-19-Verläufe zu sehen sind.

Die Bundesliga geht wieder los, das bedeutet, es kommen über 25.000 Menschen in ein Stadion. Was löst das in Ihnen als Epidemiologe aus?

Vor etwa einem Jahr etwa, war es so, dass so etwas nicht möglich war, weil wir alle zum größten Teil noch immun-naiv waren. Da hätte das Virus die allerbesten Verbreitungsmöglichkeiten gehabt. Jetzt sind aber eben schon sehr viele geimpft und genesen. Und wenn die Menschen sich da versammeln, ist das ohne Weiteres möglich. Bei negativ Getesteten ist es ein wenig schwieriger. Wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich eher die 2G-Regel anwenden bei Stadionbesuchen oder anderen Großveranstaltungen. Dann hätte man eine größere Sicherheit, dass das Virus nicht die Ungeimpften erreicht.

Hätten Sie sich die 2G-Regeln verpflichtend gewünscht?

Eigentlich ja, bei solchen größeren Veranstaltungen. Wenn wir jetzt in eine regelrechte Welle gehen, ist es nur noch eine Frage von Tagen, bis der Druck entsteht, bei solchen Veranstaltungen vorsichtiger vorzugehen. Aber für Geimpfte und Genesene sollte das möglich sein. Sie haben einen guten Schutz und sind auch kein Risiko für ihre Umgebung.

Mit Timo Ulrichs sprach Katrin Neumann

Quelle: ntv.de

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