Dutzende Menschen infiziert Zwölfjähriger stirbt an Milzbrand
02.08.2016, 12:04 Uhr
Ein kleiner Junge der Nenzen bei der Rentier-Herde seiner Familie.
(Foto: REUTERS)
Die Russen sprechen von der "Sibirischen Pest": Nach mehr als 75 Jahre ist der Anthrax-Erreger in Nordsibirien zurück. Viele Menschen sind infiziert, der Gouverneur ruft den Notstand aus. Schuld könnten die milden Temperaturen sein, die den Permafrostboden aufweichen.
Die Erreger der Krankheit Milzbrand (Anthrax) sind Bakterien. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch kommt praktisch nicht vor. Falls er rechtzeitig erkannt wird, kann Milzbrand mit Antibiotika bekämpft werden. Ansonsten kann er zum Tod führen.
Natürlicherweise kann das Bacillus anthracis von Tieren oder deren Produkten auf den Menschen übertragen werden. In Mitteleuropa ist die Krankheit jedoch sehr selten. Meist infizieren sich Menschen aus Risikogruppen wie Bauern, Tiermediziner und Schlachthofarbeiter. Je nach Eintrittspforte breitet sich der Erreger auf der Haut, in der Lunge oder dem Darm aus. In allen drei Fällen kann er in die Lymphbahnen eindringen. Es folgen Fieber sowie Schwellung und Verfärbung der Milz und ein allgemeiner Kräfteverfall.
Ein zwölfjähriger Junge von der Halbinsel Yamal in Nordsibirien ist an einer Milzbrand-Infektion gestorben. Etwa 70 Personen, darunter 41 Kinder aus der Region, sind wahrscheinlich infiziert und werden in Krankenhäusern behandelt, teilten die Behörden in Salechard am Nordpolarkreis mit. Bei acht weiteren Personen wurde der Erreger bereits nachgewiesen. Der Gouverneur der Region, Dmitry Kobylkin rief den Notstand aus. Alle Einwohner von Jamalo-Nenezki wurden gegen Milzbrand geimpft. Die gesamte Region steht unter Quarantäne.
Die Erreger, die vor allem bei Rentier-Hirten nachgewiesen worden sind, sind erstmals seit 75 Jahren wieder aktiv. Mehr als 2300 Rentiere sollen der Infektion, die auf Russisch als "Sibirische Pest" bezeichnet wird, bereits zum Opfer gefallen sein. Mehr als 40.000 Tiere sollen nun geimpft werden.
Grund für den Milzbrand-Ausbruch könnten die für die Region milden Temperaturen sein, die seit über einem Monat vorherrschen. Anthrax-Sporen, die im gefrorenen Zustand Jahrzehnte überleben, aber inaktiv waren, könnten so aktiviert worden sein. Der Klimawandel führt dazu, dass die Temperaturen schon längst nicht mehr die extrem niedrigen Werte erreichen, die früher für die Region typisch waren.
Friedhof oder Wildtier als Erreger-Quelle
Als Infektionsherd wurde nach ersten Erkenntnissen ein historischer Friedhof ausgemacht. Das indigene Volk der Jamal-Nenzen bestattet ihre Toten traditionell in Holzsärgen, die wegen des Permafrostbodens nicht vergraben werden. Es ist möglich, dass durch das Auftauen von infizierten Leichen die Erreger ins Trinkwasser gelangten und so Mensch und Tier ansteckten. Es ist aber genauso gut denkbar, dass infiziertes Wild als Ursprung des Milzbrand-Ausbruchs verantwortlich ist.
Bei dem verstorbenen Jungen war es ein sogenannter Darmmilzbrand, der über die Nahrung oder das Trinkwasser aufgenommen worden war. Der Erreger verursacht Fieber, Magenschmerzen, Durchfall und Erbrechen.
Quelle: ntv.de, jaz/dpa