Neue Flüchtlingswelle in Syrien 42.000 fliehen aus Afrin und Ost-Ghuta
15.03.2018, 21:51 Uhr
Familien verlassen im Nordosten von Afrin die Stadt.
(Foto: REUTERS)
Zum siebten Jahrestag des Syrienkriegs offenbart ein UN-Bericht Grausames: Tausende Frauen sollen von Soldaten als Kriegsstrategie gezielt vergewaltigt worden sein. Aus dem belagerten Afrin fliehen unterdessen binnen eines Tages 30.000 Menschen.
Auch sieben Jahres nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien setzt sich das Leiden der Zivilbevölkerung mit unverminderter Härte fort: Zehntausende Menschen flohen nach Aktivistenangaben vor der türkischen Offensive aus der nordsyrischen Stadt Afrin. Auch aus der Rebellenenklave Ost-Ghuta, wo syrische Regierungstruppen nach heftigen Luftangriffen die Stadt Hammurije unter ihre Kontrolle brachten, flohen tausende Zivilisten. Ein UN-Bericht warf syrischen Soldaten derweil vor, in den vergangenen Jahren "systematisch" tausende Frauen vergewaltigt zu haben.
In dem Bericht der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission für Syrien (COI) heißt es, die sexuelle Gewalt gegen Frauen sei Teil eines "umfassenden" Angriffs auf die Zivilbevölkerung und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen. Ziel der Vergewaltigungen war es demnach, "Angst zu verbreiten, Informationen herauszupressen oder Loyalität zu erzwingen". Die meisten Opfer waren demnach Frauen; doch auch Männer und Kinder sollen sexuelle Gewalt erlitten haben. Viele Vergewaltigungen fanden demnach an Kontrollpunkten und in Haftzentren der syrischen Armee statt
Auch Rebellen hätten viele Frauen vergewaltigt, heißt es in dem Bericht, der dem UN-Menschenrechtsrat übergeben wurde. Allerdings sei das in diesem Fall keine systematische Kriegsstrategie gewesen. Sexualverbrechen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) sind in dem Report nicht aufgeführt, sie wurden separat dokumentiert.
Kurdische YPG warnt vor "Massaker"
Derweil sind während des Tages allein aus der überwiegend kurdischen Stadt Afrin nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 30.000 Zivilisten geflohen. Die Menschen seien vor dem Beschuss der türkischen Armee in von Kurdenmilizen kontrollierte Vororte oder in Gebiete geflohen, die von den syrischen Regierungstruppen kontrolliert werden.
Die Türkei geht seit Januar mit verbündeten syrischen Rebellen in der Region Afrin gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) vor. Seit Beginn der Offensive eroberte die türkische Armee rund 70 Prozent der Region im Nordwesten Syriens. Die Stadt Afrin ist seit kurzem fast komplett eingekreist, zahlreiche Menschen flohen in den vergangenen Tagen aus der Stadt.
Ein Sprecher der YPG warnte vor einem "Massaker", falls die Türkei Afrin-Stadt einnehmen sollte. Der türkische Präsidentensprecher Ibrahim Kalin gab sich zuversichtlich, dass die Stadt in wenigen Tagen komplett "von Terroristen gesäubert" sein werde. Die Türkei sieht die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Terrororganisation.
Die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad nahmen nach Angaben der Beobachtungsstelle in der Rebellenenklave Ost-Ghuta die Stadt Hammurije ein. Zuvor habe sich dort die islamistische Rebellengruppe Fajlak al-Rahman zurückgezogen. Mehr als 12.000 Zivilisten seien im Laufe des Tages über einen Fluchtkorridor aus Hammurije und anderen Städten im Süden von Ost-Ghuta geflohen.
Mehr als 350.000 Kriegsopfer
Ein AFP-Korrespondent berichtete, dass hunderte Familien Hammurije zu Fuß, per Auto oder auf dem Motorrad in Richtung der Gebiete unter Kontrolle der Regierungstruppen verlassen hätten - die Stadt sei praktisch verlassen.
Assad hatte vor knapp einem Monat eine großangelegte Luft- und Bodenoffensive gestartet, um die östlichen Vororte der Hauptstadt Damaskus unter seine Kontrolle zu bringen. Inzwischen haben Assads Truppen 70 Prozent der Region erobert, die seit 2012 von zumeist islamistischen Rebellen kontrolliert wurde und die mittlerweile in drei Teile gespalten ist.
Seit Beginn der Offensive Mitte Februar wurden laut der Beobachtungsstelle knapp 1250 Zivilisten getötet, darunter mehr als 250 Kinder. In der seit 2013 von Regierungstruppen belagerten Region herrschen katastrophale humanitäre Bedingungen. Insgesamt wurden im Syrienkonflikt mehr als 350.000 Menschen getötet.
Quelle: ntv.de, ftü/AFP