"Keine Zeit mehr zu verlieren" Abgeordnete wollen Sterbehilfe neu regeln
22.03.2022, 17:05 Uhr
Mit-Initiatorin Katrin Helling-Plahr fordert die Umsetzung von notwendigen Neuregelungen im Bereich der Sterbehilfe.
(Foto: picture alliance / Flashpic)
Vor zwei Jahren kippt das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe aufgrund einer Gesetzeslücke. Für Betroffene ist die Lage allerdings noch immer nicht eindeutig. Eine Gruppe aus Abgeordneten setzt sich nun für mehr Rechtssicherheit und ein breites Beratungsangebot ein.
In der Debatte um die Sterbehilfe in Deutschland bringt eine Abgeordnetengruppe im Bundestag einen Vorstoß für Neuregelungen außerhalb des Strafrechts erneut ein. Mit-Initiatorin Katrin Helling-Plahr sagte: "Menschen, die selbstbestimmt sterben möchten, brauchen endlich Rechtssicherheit." Sie bräuchten bundesweit niedrigschwellige Beratungsangebote und eine transparente Möglichkeit, auch Medikamente zur Selbsttötung erhalten zu können. Mehr als zwei Jahre nach einem Verfassungsgerichtsurteil gelte es, keine Zeit mehr zu verlieren.
Die Initiative soll "das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern und klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist", wie es in dem Entwurf heißt. Initiatoren sind neben Helling-Plahr die Abgeordneten Otto Fricke von der FDP, Petra Sitte von der Linken und SPD-Politiker Helge Lindh.
- Bei Suizidgefahr: Notruf 112
Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
- Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
- Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
- In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
- Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).
Vorgesehen ist konkret, dass ein breites Beratungsangebot gesichert wird. Ärzte sollen Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung dann verschreiben dürfen, wenn sie "von der Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches" überzeugt sind. Seit der Beratung müssten in der Regel mindestens zehn Tage vergangen sein. Im Kern waren die Vorschläge schon vor der Bundestagswahl vorgestellt worden. Sie sollen nun in der neuen Wahlperiode erneut eingebracht werden.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte vor zwei Jahren ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt, da es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. Dabei hat "geschäftsmäßig" nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt". Das Urteil stößt eine Tür für organisierte Angebote auf - aber auch mit Regulierungsmöglichkeit wie Beratungspflichten oder Wartefristen.
Im Januar hatte eine andere fraktionsübergreifende Abgeordnetengruppe einen Entwurf vorgestellt. Demnach soll die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe gestellt werden - aber mit einer Ausnahme für Volljährige: Um die freie Entscheidung ohne inneren und äußeren Druck festzustellen, sollen in der Regel zwei Untersuchungen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und eine umfassende ergebnisoffene Beratung vorgegeben werden.
Quelle: ntv.de, smu/dpa