Aktivisten: Differenzen mit Moskau Abzug aus Ost-Aleppo verzögert sich
14.12.2016, 06:49 Uhr
Das Ende der Schlacht um Aleppo ist verkündet. Nun sollen Busse Zivilisten und Rebellen-Kämpfer aus der Stadt bringen. Doch die Evakuierung beginnt nicht wie geplant. Es soll Differenzen zwischen Syriens Führung und Russland geben.
Rebellen und Zivilisten in Aleppo haben am Morgen auf ihre Evakuierung aus dem Ostteil der syrischen Großstadt gewartet. Die Evakuierungen sollten nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte gegen 5.00 Uhr Ortszeit (4.00 Uhr MEZ) beginnen, verzögern sich aber. Im zwischen Rebellen und syrischen Regierungstruppen geteilten Viertel Salaheddin warten demnach etwa 20 Busse. Von der syrischen Regierung oder aus Moskau gab es dafür zunächst keine Erklärung.
Am Morgen standen viele Menschen mit gepackten Taschen im strömenden Regen zur Abfahrt mit den Bussen bereit. Sie fürchten nach monatelangem Bombardement nun Plünderungen und Gewalt syrischer Truppen und von deren iranischen Verbündeten. Zudem ist die medizinische Versorgung weitgehend zusammengebrochen, und es gibt nicht genügend Lebensmittel und Trinkwasser.
Ein Vertreter der Rebellen sagte, pro-syrische Milizen des Iran würden verhindern, dass die Menschen aus den bis zuletzt von der Opposition gehaltenen Gebieten abziehen könnten. Von der Beobachtungsstelle hieß es, Hintergrund für die Verzögerung seien Differenzen zwischen dem Regime und seinem Verbündeten Russland. Demnach ist Syriens Führung unzufrieden mit dem Abkommen, weil es ihm von Russland aufgezwungen worden sei.
Moskau habe die Einigung zudem ohne Abstimmung mit ihr verkündet. Das Regime sei entschlossen gewesen, den Konflikt um Aleppo militärisch zu entscheiden. Die Armee und ihre Verbündeten hatten zuletzt mehr als 90 Prozent der bisherigen Rebellengebiete eingenommen. Russland als Verbündeter der Regierung und die Türkei als Unterstützer der Rebellen waren federführend bei den Verhandlungen. Bislang habe noch niemand Ost-Aleppo verlassen, hieß es von der Beobachtungsstelle. Ein den Assad-Gegnern nahestehender TV-Sender berichtete, bis Donnerstag passiere nichts.
Moskau: Schon Tausende evakuiert
Unterdessen teilte die Moskauer Regierung der Agentur Interfax zufolge mit, fast 6000 Zivilisten hätten die Rebellengebiete bereits verlassen. Dabei handelte es sich offenbar um eine Entwicklung unabhängig von den größeren Evakuierungsplänen. Demnach seien in den vergangenen 24 Stunden allein 2000 Kinder in Sicherheit gebracht worden. Im selben Zeitraum hätten mehr als 360 Aufständische die Waffen niedergelegt und die Rebellengebiete verlassen. Aus Rebellenkreisen verlautete, vom Iran unterstützte Schiiten-Milizen boykottierten die von Russland vermittelte Waffenruhe.
Schon am Dienstagabend waren sechs Busse in den Bezirk gefahren, kamen aber leer zurück. Nach Angaben von Rebellen sollten zuerst die Verletzten und Zivilisten evakuiert werden, dann Rebellen mit leichten Waffen, die entweder in den Westen der Provinz Aleppo oder in die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens gehen sollten. Die Vereinbarung zur Evakuierung von Zivilisten und Rebellen aus dem Ostteil Aleppos war am Dienstag von Rebellengruppen verkündet und von Russland und der Türkei bestätigt worden.
Das US-Außenministerium teilte mit, dass es von Moskau oder Ankara nicht hinzugezogen worden sei. "Selbst wenn dies das Ende der Belagerung von Aleppo ist, ist es nicht das Ende des Krieges in Syrien. Er wird weitergehen. Die Opposition wird weiter kämpfen", sagte Ministeriumssprecher John Kirby.
Türkei plant Zeltlager für 80.000 Flüchtlinge
In Aleppo schweigen seit Dienstagnachmittag die Waffen, nachdem die Rebellenviertel von Ost-Aleppo vier Wochen lang von der syrischen Armee und ihren Verbündeten schwer bombardiert worden waren. Nach Angaben der Hilfsorganisation Médecins du Monde sind noch etwa 100.000 Menschen auf einem Gebiet von lediglich fünf Quadratkilometern im Osten der Stadt eingeschlossen. Bisher sind nach Angaben der Beobachtungsstelle, die sich auf ein Netz von Aktivisten in Syrien stützt, bereits mehr als 130.000 Zivilisten aus Ost-Aleppo geflohen.
Die Türkei kündigte an, dass sie ein Zeltlager für bis zu 80.000 Flüchtlinge aus Aleppo aufstellen wolle. Das gab Vize-Ministerpräsident Mehmet Simsek bekannt, ohne nähere Einzelheiten zu nennen.
Quelle: ntv.de, hul/AFP/rts/dpa