Historische Zusammenkunft Alle 27 EU-Außenminister treffen sich in Kiew
02.10.2023, 08:29 Uhr Artikel anhören
Für Baerbock ist es der zweite Besuch in der Ukraine binnen weniger Wochen. (Archivbild)
(Foto: picture alliance/dpa)
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock reist gemeinsam mit ihren Amtskollegen aus den EU-Ländern nach Kiew. Dort findet ein informelles Treffen zur Unterstützung der Ukraine statt. Erstmals treffen sich dabei alle 27 Staatsvertreter außerhalb der EU. Baerbock bekräftigt ihre Forderungen.
Zur Unterstützung der Ukraine sind die Außenminister der EU-Staaten zu einem historischen Treffen nach Kiew gereist. Es sei das erste Mal, dass es ein solches Treffen der Vertreter aller 27 EU-Staaten außerhalb der EU gebe, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Bei den Beratungen solle es um die aktuelle Lage angesichts des russischen Angriffskriegs und die Unterstützung der EU für die Ukraine gehen.
"Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU", schrieb Borrell bei X, vormals Twitter. Seit Russland im Februar 2022 in das Nachbarland einmarschiert ist, ist noch nie eine so große Gruppe ranghoher ausländischer Politikerinnen und Politiker nach Kiew gekommen. "Mit diesem Außenrat der EU-Außenminister bringen wir die Europäische Union dorthin, wo das Herz Europas derzeit am stärksten schlägt", betonte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Für sie ist es der zweite Besuch in der Ukraine binnen weniger Wochen, sie war zuletzt am 11. September in Kiew.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte, Botschaft des Treffens sei, dass sich die Europäische Union in die Ukraine ausweite und dafür sei man sehr dankbar. Das "historische Ereignis" finde zwar außerhalb der derzeitigen EU-Grenzen, aber innerhalb der künftigen EU-Grenzen statt.
Baerbock zum "Winterschutzschirm"
Baerbock bekräftigte ihre Forderung nach einem "Winterschutzschirm" für die Ukraine. Dazu gehöre der Ausbau der Luftverteidigung, die Lieferung von Strom-Generatoren und die Stärkung der Energieversorgung insgesamt. "Wir haben im letzten Winter gesehen, in welcher brutalen Weise der russische Präsident diesen Krieg auch führt, indem er bewusst Elektrizitätswerke angreift", sagte die Grünen-Politikerin. Wladimir Putin setze damit darauf, dass damit dann auch die Wasserversorgung bei Temperaturen von 20 Grad unter dem Gefrierpunkt einbreche. "Das müssen wir gemeinsam mit allem, was wir haben, soweit es geht verhindern." Deutschland hat die Ukraine bereits massiv mit Luftverteidigungssystemen wie Iris-T und Patriot unterstützt.
Wie üblich während des russischen Angriffskriegs wurde die Reise aus Sicherheitsgründen nicht vorher angekündigt. Als ein Thema für das EU-Treffen nannte Borrell seinen Vorschlag, der Ukraine längerfristige Finanzierungszusagen für Militärhilfen zu machen und mit EU-Geld auch die Lieferung moderner Kampfjets und Raketen zu unterstützen. So will er von 2024 bis Ende 2027 jährlich fünf Milliarden Euro mobilisieren. Der dänische Außenminister Lars Løkke Rasmussen sagte, sein Land unterstütze den Vorschlag. Mit Blick auf möglicherweise sinkende US-Hilfen für die Ukraine sagte er, Europa leiste aus seiner Sicht bereits jetzt seinen Teil. Es müsse aber bereit sein, noch mehr zu tun. Das Treffen solle ein starkes transatlantisches Signal senden und zeigen, dass man bereit sei, für Geschehnisse auf dem eigenen Kontinent Verantwortung zu übernehmen.
Die niederländische Außenministerin Hanke Bruins Slot sagte, die Ukrainer sollten auch deswegen weiter mit guten Waffen und Munition unterstützt werden, weil sie für die Freiheit ganz Europas kämpften. "Das ist nicht nur der Krieg der Ukrainer, sondern auch ein Krieg Europas als Kontinent", betonte sie. Finnland wisse, wie schwierig es sei, neben einem Nachbarn wie Russland eine demokratische und offene Gesellschaft aufzubauen, sagte Außenministerin Elina Valtonen aus Helsinki. "Für uns Finnen ist es deshalb umso wichtiger, die Ukrainer und Ukrainerinnen auf ihrem Weg zur Europäischen Union und zur NATO eines Tages zu unterstützen."
Die Unterstützung der Europäer ist auch wichtig in einer Phase, wo die Finanzierung der US-Hilfen wegen eines Haushaltsstreits in Washington in der Schwebe ist. Am Sonntag war in der Slowakei die Partei des linksgerichteten und prorussischen Ex-Ministerpräsidenten Robert Fico stärkste Kraft geworden. Fico hatte angekündigt, die Militärhilfe seines Landes für die Ukraine beenden zu wollen.
Beitrittsperspektive zur EU?
Bei dem Treffen ging es erneut auch um die EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine. Baerbock bekräftigte das Versprechen der EU, die Ukraine zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt in die Staatengemeinschaft mit ihren derzeit 27 Mitgliedern aufzunehmen. "Die Zukunft der Ukraine liegt in der Europäischen Union, in dieser Gemeinschaft der Freiheit. Und die wird sich bald erstrecken von Lissabon bis Luhansk." Die Ukraine ist seit Juni 2022 EU-Beitrittskandidat. Die Verhandlungen über eine Aufnahme können aber mehrere Jahre dauern und werden auch ergebnisoffen geführt, garantieren also keine Aufnahme.
Alle 27 Staaten müssen einstimmig entscheiden. Ein positives Votum soll es dann geben, wenn die Ukraine bestimmte Voraussetzungen erfüllt hat. Dazu zählt eine stärkere Bekämpfung der Korruption. Baerbock lobte die Reformen etwa im Justizbereich und im Mediensektor, die die ukrainische Regierung trotz der russischen Angriffe bereits umgesetzt habe.
Während aus den meisten EU-Ländern der Minister oder die Ministerin anreiste, war das wichtige Nachbarland Polen durch einen Vizeaußenminister vertreten. Das enge Verhältnis ist derzeit belastet wegen eines polnischen Importstopps für ukrainisches Getreide. Auch aus dem russlandfreundlichen Ungarn kam nur ein ranghoher Diplomat.
Quelle: ntv.de, ara/dpa