Politik

Berlin Tag & Macht Bas, wir brauchen Bas ... als Merz' ausführendes Organ

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Alles gute kommt von oben: Friedrich Merz ist jetzt auch Bürgergeldreformkanzler.

Alles gute kommt von oben: Friedrich Merz ist jetzt auch Bürgergeldreformkanzler.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

Während der neue Staat Palästina den Blätterwald in Atem hält, räumt Merz auf der Regierungsbank auf: Er stutzt Bärbel Bas die Hierarchie-Ponyfrisur, schaut SPD und Grünen beim Relevanztango zu und genießt die Harmlosigkeit der Konkurrenz: Kann er jetzt einfach durchregieren?

Das war mal wieder eine spannende Woche im Regierungsviertel Berlin. Im Schatten des flächendeckenden Furors um die umstrittene Anerkennung eines Staates namens "Palästina" durch einige ehemalige weltpolitische Schwergewichte wie Frankreich, Spanien, Kanada oder England, konnte die heimische Führungselite um das sauerländische Kanzler-Greenhorn Friedrich Merz und seinen steigbügelhaltenden 14-Prozent-Koalitionspartner ihre internen Machtkämpfe weitestgehend unbeobachtet austragen. Was vermutlich gut ist. Noch ein paar weitere von einschlägigen Talkshow-Ikonen und Lästerkoryphäen aus den Hauptstadt-Redaktionen in den politischen Stammtischdiskurs geprügelte "unsere Regierung ist uneinig und führungslos"-Leitartikel, und wir können unser Land direkt auf dem berühmten Silbertablett an die AfD übergeben.

Bevor wir jetzt aber in die Details der bundespolitischen Dilemma-Analyse einsteigen, kurz noch zwei Anekdoten zum Thema Staatsanerkennung. Beide sind zu schön, um unerwähnt zu bleiben. Nachdem der britische Premierminister Keir Starmer nämlich Palästina offiziell anerkannt hatte, brach ein Sturm der Entrüstung über ihn herein. Kommentatoren weltweit, aber insbesondere renommierte Beobachter der britischen Politikszene, warfen ihm vor, er würde zum jetzigen Zeitpunkt mit einer Anerkennung nur die Terror-Organisation Hamas für ihre Massaker an Israelis, Vergewaltigungen, Geiselnahmen und Missbrauch von Zivilisten in Gaza als menschliche Schutzschilde belohnen. Ein Signal, das von Terrororganisationen auf der ganzen Welt mit Interesse verfolgt wird. Und das von Hamas-Führern plus Supporter-Umfeld umgehend als epochaler Sieg ihrer zum Widerstand umfirmierten Terroranschläge gefeiert wurde.

Ist Keir Starmer der unbeliebteste Premierminister aller Zeiten?

Die erste Anekdote dazu betrifft die möglichen rechtsstaatlichen Folgen jener Anerkennung, die als Alleingang von Keir Starmer und seiner Labour Party gilt. Laut einer Umfrage des renommierten Marktforschungsinstituts JL Partners für "The Telegraph" halten nämlich annähernd 90 Prozent der Briten diese Entscheidung aktuell für falsch. Was nun folgen könnte, das jedenfalls wird von völkerrechtsaffinen Rechtswissenschaftlern befürchtet, wären gigantische Reparationsforderungen der Palästinensischen Autonomiebehörde in Höhe von 2 Billionen Pfund. Eine Forderung, die der gesamten britischen Wirtschaftsleistung entspricht und auf der historischen Verwaltung Palästinas durch Großbritannien von 1917 bis 1948 basiert. Eine solche finanzielle Verpflichtung würde vermutlich den Schlussakkord für eine ohnehin wankende britische Wirtschaftslage anstimmen.

Die zweite Anekdote deckt eine weitere Absurdität auf, die ebenfalls eher in eine mittelgute Hollywood-Satire als in die reale Weltpolitik gepasst hätte. Als erste Amtshandlung nach Anerkennung gab das britische Außenministerium eine offizielle Reisewarnung für britische Palästinareisende aus. England erkennt also einen Staat an, der keine Grenzen hat, keine Hauptstadt, keine Verfassung, kein Staatsoberhaupt und keine Währung, und in den Engländer nicht reisen sollen - aber bezahlen. Vor diesem Hintergrund wirkt es nicht überraschend, dass aktuelle Umfragewerte für Starmer und seine Labour Party desaströs ausfallen. Aktuell hätte vermutlich sogar Meghan Markle bessere Chancen, ins Amt des Premiers gewählt zu werden. Und die rangiert auf der Beliebtheitsskala der Briten irgendwo zwischen Kim Jong Un und chronischem Brechdurchfall.

Bürgergeld-Coiffeur Merz rasiert Bärbel Bas

Jetzt aber schnell rein in die Bundespolitik, mit einem formvollendeten Hechtsprung vom 10-Meter-Analysebrett. Kanzler Friedrich Merz hat sich vom Terrorbelohnungsrausch seiner britischen und französischen Kollegen bislang unbeeindruckt gezeigt. Stattdessen hat er sich ausführlich Bärbel Bas gewidmet. Bas, die als Bundesvorsitzende der SPD offenbar nicht ausgelastet ist und daher nebenberuflich noch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt, bekam diese Woche vom Briloner Anti-Merkel mal kurz den Hierarchie-Pony glattgezogen. Beim koalitionsinternen Konfliktthema Bürgergeld erinnerte der Kanzler seine Ministerin kurz öffentlich an das protokollarische Machtorganigramm unserer preisgekrönten Vorzeigedemokratie und kündigte an, die Bürgergeldreform "nicht dem Arbeitsministerium zu überlassen!"

Eine unorthodoxe Aufgabenverschiebung innerhalb einer Regierung. Der ursprüngliche Grund, sich riesige Verwaltungsapparate wie Bundesministerien zu leisten, war vornehmlich, dass themensouveräne Fachleute die notwendigen politischen Maßnahmen dort zunächst sachkundig bis zu einer gewissen Abstimmungsreife vorbereiten. Diese Tradition stellt Merz nun auf den Kopf: "Wir lassen es nicht auf der Fachebene, sondern wir diskutieren es auf der politischen Ebene und machen einen Top-Down-Ansatz". Kurz für alle, die sich mit hedgefondsgeprägten Finanzfloskeln nicht so gut auskennen: Ein Top-Down-Ansatz beschreibt nicht die Oberhemdenstrategie von Vizekanzler Lars Klingbeil, sondern eine Methode, bei der die höchste Führungsebene alle Ziele vordefiniert, während die nachgeordneten Ebenen sie anschließend lediglich umsetzen. Oder anders gesagt: Merz degradiert Bärbel Bas von der Architektin der Bürgergeldreform zur Ausführungsgehilfin.

Relevanzalarm im linken Parteispektrum

Dabei hat die SPD auch so bereits ausreichend Kompetenz- und Wählerverlust zu beklagen. Mit knapp 14 Prozent Umfragezustimmung wird es allmählich sogar problematisch, sich seriös als Volkspartei zu deklarieren. Für eine erfolgreich spürbare Neuausrichtung innerhalb einer Regierungsbeteiligung gibt es bislang keine Präzedenzfälle. Populistische Schlagzeilen-Katalysatoren wie die aktuelle Einlassung von SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, "Jesus ist ein Linker", helfen ebenfalls nur bedingt, ein mehrheitsfähiges Profil zu kreieren. Zumal besagter Jesus zuletzt hinsichtlich seiner angeblichen politischen und religiösen Gesinnungen auch ohne sozialdemokratische Okkupation schon arg strapaziert wurde. In den letzten Monaten war er bereits Palästinenser, Moslem, MAGA-Fan oder Klimakleber. Um die Sozialdemokratie wachzuküssen, wird es daher mehr brauchen als den Schlachtruf, Jesus hätte SPD gewählt.

Aber auch die Grünen befinden sich als die Oppositionspartei, von der man sich die konstruktivste Regierungskorrekturfähigkeit versprochen hatte, in einer Sinnkrise. Ihr inspirationsbefreites Mitschwimmen im Politalltag lässt befürchten, dass das Habeck-Baerbock-Nachfolgepersonal von der Hektik am Diskursverschiebebahnhof der Social-Media-Debattenkultur zermürbt wurde und sich inzwischen dem Image der hyperhysterischen Allesverbieter ergeben hat. Jenes Image, das ihnen von konservativen Medien und deren angeschlossenem Hofstaat fleißiger Kommentarspalten-Multiplikatoren aufoktroyiert wurde: das Bild einer Verbotspartei, die dem fleißigen Arbeitnehmer sein Schnitzel, den Mallorca-Urlaub und bezahlbaren Strom entreißen und ihn gleichzeitig mit überteuerten Wärmepumpen ruinieren wolle.

Eine Gesamtgemengelage, die niemand als Optimalzustand für unser Land apostrophieren sollte. Nicht mal die Gruppe faktenresistenter Konstruktivitäts-Weltmeister, die noch immer überzeugt ist, Grüne und SPD würden via Heizungsgesetz rechtschaffene deutsche Rentner nötigen, sich mit 750.000 Euro teuren Wärmepumpen für ihr 50 Jahre lang mühsam abbezahltes Eigenheim zu ruinieren. Sogar diese mit der nur schwer heilbaren Telegram-Gruppen-Hörigkeit infizierten Klimavordenker, die nach wie vor überzeugt sind, Besitzer von Eigenheimen mit Ölheizung würden früher oder später von den Grünen zwangsenteignet, können nicht ernsthaft wollen, dass Friedrich Merz aufgrund spektakulär Schwächephasen anderer Parteien nun vier Jahre unbehelligt durchregieren kann. Oder?

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen