"Nicht orientierungslos wirken" Berliner Parteichef Saleh will neues SPD-Grundsatzprogramm
18.08.2023, 16:49 Uhr Artikel anhören
Saleh unternimmt den Versuch, innerhalb der SPD eine Programmdebatte zu beginnen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die CDU ringt seit Jahren um ein neues Parteiprogramm. Auch das der SPD ist inzwischen mehr als eineinhalb Jahrzehnte alt. Die Berliner SPD bricht nun eine Debatte über ein neues Grundsatzpapier vom Zaun. Das Thema soziale Gerechtigkeit müsse neu definiert werden, fordert der Landeschef.
Der Berliner SPD-Landeschef Raed Saleh fordert ein neues Grundsatzprogramm für die Bundespartei. "Um als SPD nicht orientierungslos zu wirken", müsse das Hamburger Programm von 2007 an neue Herausforderungen und die Lebenswirklichkeit der Menschen angepasst werden, sagte er dem "Spiegel". Die SPD müsse auch unter den Zwängen der Ampelkoalition erkennbar bleiben und müsse das Thema soziale Gerechtigkeit "neu ausbuchstabieren".
Mit Blick auf das Sondervermögen der Bundeswehr sagte er weiter: "Wenn wir über Nacht 100 Milliarden Euro zusätzlich für Militärausgaben bereitstellen, die Militärausgaben grundsätzlich erhöhen und Waffen in Kriegsgebiete liefern, dürfen sich nicht zugleich die Lebensverhältnisse der Menschen erheblich verschlechtern."
Ferner kritisierte er, das Heizungsgesetz der Bundesregierung führe "systemwidrig dazu, dass neben dem Staat auch Mieterinnen und Mieter mit einer erhöhten dauerhaften Modernisierungsumlage zur Kasse gebeten werden und sich die Wohnungskonzerne ins Fäustchen lachen". Diese einseitige Belastungspolitik sei kein Kommunikationsproblem, sondern eine Grundsatzfrage der Gerechtigkeit und Akzeptanz, die von der Partei diskutiert und entschieden werden müsse.
Transparent diskutieren und entscheiden
"Wir Sozialdemokraten müssen den Menschen garantieren, dass sie nicht stärker an den Kosten der Transformation beteiligt werden als die Konzerne", sagte Saleh dem "Tagesspiegel". Der SPD-Grundwert Gerechtigkeit "zwingt uns bei der ungerechten Kluft zwischen Konzerngewinnen und Belastung der Menschen zunächst zu einer Zurückverteilungsdebatte". Weil sich eine "einseitige Belastungspolitik" nicht durch besseres Erklären auflöse, sondern eine "Grundsatzfrage von Gerechtigkeit" sei, müsse diese "von der Partei grundsätzlich und transparent diskutiert und entschieden werden".
Der 46-Jährige ist seit Ende 2020 zusammen mit der ehemaligen Regierenden Bürgermeisterin und jetzigen Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey Vorsitzender der Berliner SPD. Saleh sitzt seit 2006 im Abgeordnetenhaus und führt seit Dezember 2011 auch die Fraktion. Bei der Wiederholungswahl im Februar hatte er ebenso wie Giffey das Direktmandat nicht verteidigen können und war über die Landesliste ins Parlament eingezogen. Das Spitzen-Duo verteidigte aber trotz Wahlniederlage der SPD den Platz der Partei auf der Regierungsbank - allerdings nur noch als Partner der CDU.
An einem neuen Grundsatzprogramm arbeitet derzeit die CDU. Es soll im kommenden Jahr auf einem Parteitag beschlossen werden. Federführend wurde es vom amtierenden Generalsekretär Carsten Linnemann erarbeitet. Auch das Programm unter dem Titel "Freiheit und Sicherheit" stammt von 2007. Seine Überarbeitung hatte schon Ex-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer beginnen wollen. Sie und auch ihr Nachfolger Armin Laschet brachten in ihren vergleichsweise kurzen und unruhigen Amtszeiten das Vorhaben allerdings nicht entscheidend voran.
Quelle: ntv.de, jwu