Empfang mit Luftalarm Biden besucht überraschend Selenskyj in Kiew
20.02.2023, 10:54 UhrIn Kiew herrscht am Morgen geschäftiges Treiben: Umfassende Sicherheitsmaßnahmen deuten auf hochkarätigen Besuch in der ukrainischen Hauptstadt hin. Nun ist klar: Es ist US-Präsident Biden, der auf seinem Weg nach Warschau bei dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj vorbeikommt.
Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen hat US-Präsident Joe Biden die ukrainische Hauptstadt Kiew besucht. Vor einem angekündigten Besuch in Polen kam Biden am Vormittag mit seiner Delegation in der Hauptstadt Kiew an. Er traf auch Präsident Wolodymyr Selenskyj. Beide gedachten gemeinsam der ukrainischen Gefallenen. Trotz Luftalarms spazierten die beiden Staatschefs gemeinsam durch die Stadt. Am frühen Nachmittag verließ Biden die Ukraine wieder in Richtung Polen. Der US-Präsident lobte den Verteidigungswillen der Menschen in der Ukraine. "Ein Jahr danach hält Kiew stand. Und die Ukraine hält stand. Die Demokratie hält stand." Nach Angaben von mitgereisten US-Journalisten fügte er hinzu: "Die Amerikaner stehen mit Euch, und die Welt steht mit Euch."
Bei seinem Besuch kündigte Biden zusätzliche Waffenlieferungen für die Ukraine an. Wie es in einer Mitteilung des Weißen Hauses hieß, soll Kiew mit weiterer Artillerie-Munition, panzerbrechenden Waffensystemen sowie Luftüberwachungsradaranlagen versorgt werden. Es soll sich um ein Paket im Wert von einer halben Milliarde Dollar handeln. Biden kündigte zudem weitere Sanktionen gegen Russland an. Er ließ mitteilen: "Als Putin seine Invasion vor fast einem Jahr begann, dachte er, die Ukraine sei schwach und der Westen gespalten." Der Kremlchef habe gedacht, er könne den Westen überdauern. "Aber da lag er komplett falsch", sagte der US-Präsident.
Selenskyj nannte den Besuch seines US-Kollegen kurz vor dem ersten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine ein "äußerst wichtiges Zeichen der Unterstützung". Er unterstrich die Bedeutung der US-Militärhilfe. Diese sei auf dem Schlachtfeld, bei der verbesserten Ausrüstung der Soldaten "und bei der Befreiung unserer Gebiete spürbar", sagte Selenskyj. "Historisch wichtig war der Fortschritt bei der Frage der Flugabwehr und der Patriot-Systeme zum Schutz unserer Städte", sagte Selenskyj. Die Entscheidung der USA, Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams zu liefern, habe die internationale Panzerkoalition ermöglicht. In diesem Bündnis zur erstmaligen Lieferung schwerer Kampfpanzer an die Ukraine spielt auch Deutschland mit den Panzern Leopard 2 eine wichtige Rolle.
Kurz vor dem ersten Jahrestag des russischen Überfalls ist dies für Biden der erste Besuch in der Ukraine seit Kriegsbeginn. Aus Sicherheitsgründen wurde die Reise bis zuletzt geheim gehalten. In den vergangenen Wochen war bereits spekuliert worden, dass Biden seine Reise nach Polen mit einem Besuch in der Ukraine verbinden könnte. Das Weiße Haus hatte mehrfach erklärt, das sei nicht geplant. Hochrangige Reisen in Krisengebiete werden allerdings üblicherweise bis zum letzten Moment geheim gehalten.
Besuch auf dem Weg nach Polen eingeschoben
Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie Minister aus anderen Ländern hatten die Ukraine in den vergangenen Monaten seit Kriegsbeginn bereits besucht - einige auch mehrfach. Auch aus den USA waren bereits mehrere Regierungsmitglieder dort, ebenso Bidens Ehefrau Jill. Als Präsident war Biden bislang noch nie in der Ukraine. Für ihn gelten generell deutlich höhere Sicherheitsanforderungen.
Dass er seinen Besuch nun unmittelbar vor den ersten Jahrestag des Kriegsausbruches legte, hat hohen Symbolwert - als Zeichen der Unterstützung des wichtigsten und mächtigsten Verbündeten. In den vergangenen Monaten hatten die Amerikaner in rasanter Abfolge diverse Pakete mit Waffen und Munition in milliardenschwerem Umfang auf den Weg gebracht. Nach Angaben des Pentagons haben die USA der Ukraine seit Kriegsbeginn militärische Hilfe im Umfang von fast 30 Milliarden US-Dollar bereitgestellt oder zugesagt. Dazu gehören auch verschiedene schwere Waffensysteme.
Biden und seine Regierung haben der Ukraine zugesichert, ihr auch langfristig beizustehen - solange es nötig sei. Dies hatte die US-Regierungszentrale auch als Kernbotschaft für Bidens Besuch in Polen ausgegeben. Nun überbrachte er diese persönlich in Kiew. Am Dienstag und Mittwoch plant Biden Gespräche in der polnischen Hauptstadt Warschau. Vorgesehen sind nach Angaben des Weißen Hauses ein Treffen mit Polens Präsident Andrzej Duda sowie eine Rede vor dem Warschauer Königsschloss. Am Mittwoch will Biden zudem mit Vertretern weiterer osteuropäischer NATO-Staaten zusammenkommen.
Der US-Präsident hatte Polen zuletzt Ende März 2022 besucht, rund einen Monat nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine. Schon damals hatte Biden vor dem Warschauer Königsschloss eine viel beachtete Rede gehalten. Darin versicherte er der Ukraine Beistand und griff den russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf an.
Quelle: ntv.de, jog/dpa