Politik

Klage gegen Oppositionschef "Breaking Bad Süleyman" schlägt zurück

Dem Sozialdemokrat Kilicdaroglu, einem möglichen Herausforderer bei den Wahlen im kommenden Jahr, drohen bis zu drei Jahre Haft.

Dem Sozialdemokrat Kilicdaroglu, einem möglichen Herausforderer bei den Wahlen im kommenden Jahr, drohen bis zu drei Jahre Haft.

(Foto: picture alliance / AA)

Der türkische Oppositionsführer Kilicdaroglu macht die AKP-Regierung öffentlich für eine "Methamphetamin-Epidemie" verantwortlich und betitelt den Innenminister mit einem süffisanten Namen. Kilicdaroglu bekommt die Rechnung prompt - auf Grundlage eines brandneuen Gesetzes.

Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei in der Türkei ist wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen ein umstrittenes "Desinformations"-Gesetz angeklagt worden. Nach Angaben aus seiner sozialdemokratischen Partei CHP wird Kemal Kilicdaroglu die "öffentliche Verbreitung irreführender Informationen" vorgeworfen. Der Oppositionsführer ist damit der erste Mensch in der Türkei, der auf Grundlage des im vergangenen Monat verabschiedeten Gesetzes belangt werden soll. Kilicdaroglu drohen bis zu drei Jahre Haft.

CHP-Chef Kilicdaroglu hatte Erdogans konservative AKP-Regierung auf Twitter für eine "Methamphetamin-Epidemie" verantwortlich gemacht und ihr vorgeworfen, Geld aus Drogenverkäufen zur Tilgung von Staatsschulden zu verwenden.

In der Türkei werden immer wieder ähnliche Vorwürfe der Regierung gegenüber erhoben, insbesondere seit der flüchtige Mafiaboss Sedat Peker im vergangenen Jahr in mehreren Videos amtierende und ehemalige Minister schwerster Verbrechen bezichtigte. In einem unterstellte er etwa dem amtierenden Innenminister Süleyman Soylu Verbindungen zur organisierten Kriminalität. In einem anderen behauptete er, dass Söhne ehemaliger Minister in den internationalen Drogenschmuggel verwickelt seien. Harte Beweise gab es damals nicht.

Soylu von Namen getroffen

Kilicdaroglu griff in seiner Ansprache via Twitter eben diesen türkischen Innenminister direkt an und nutzte einen süffisanten Namen: "Breaking Bad Süleyman verschließt die Augen vor der Vergiftung der Kinder des Landes." Istanbul beschrieb er als Ort, der zu einem internationalen Drogenzentrum verkommen sei.

Innenminister Süleyman Soylu sagte als Reaktion auf Kilicdaroglus Video, es stehe einem Bürger "und erst recht einem Parteivorsitzenden nicht zu, den Staat, die Polizei, die Gendarmerie und die Armee zu verleumden". Außerdem setzte er sich mit den Worten "Sind wir etwa schuldig, weil wir sie geschnappt haben?" zur Wehr.

Eine Statistik kann ihm da helfen. Im Jahr 2021 waren laut türkischem Innenministerium 264.202 Menschen wegen Drogendelikten gefasst worden, 2020 waren es 206.421, 2019 knapp über 200.000. Wurden 2019 noch 1042 Kilo Metamphetamin von türkischen Behörden aufgegriffen, waren es 2021 bereits 5528 Kilogramm. Das Innenministerium argumentiert, die höheren Zahlen resultierten aus verstärkten Kontrollen. 2021 hätten türkische Behörden 22 Tonnen Heroin und 2,8 Tonnen Kokain abgefangen, so Soylu im Februar 2022. Das seien die höchsten Zahlen in der Geschichte der türkischen Republik.

Drogenkartelle schon lange mit Einfluss

Kilicdaroglu sieht Soylu trotz dieser Statistik offenbar nicht entlastet. Was er in seinem Twitter-Video aufgriff, ist zudem ein Thema, das die Türkei schon Jahrzehnte begleitet. Die Verbindung von türkischer Politik und organisiertem Verbrechen wird schon lange diskutiert.

Der Forscher Ryan Gingeras behandelte das Thema etwa in seiner Studie "Heroin, Organized Crime, and the Making of Modern Turkey" (Übersetzung: Heroin, organisiertes Verbrechen und die Entstehung der modernen Türkei"). Er untersuchte den Einfluss türkischer Drogenkartelle und Gangster und ihr Zusammenspiel mit der Politik und staatlichen Apparaten wie Geheimdiensten seit dem Osmanischen Reich. Sein Augenmerk liegt auf dem einst florierenden, und teils legalen Opiumhandel sowie auf der Türkei als Umschlagplatz für Heroin.

Nachdem nun CHP-Chef Kilicdaroglu das Thema mit Bezug auf moderne Partydrogen aufgriff und angeklagt wurde, sagte Partei-Anwalt Celal Celik der oppositionsnahen Nachrichtenagentur Anka, die Behörden hätten "gewarnt", dass das neue "Desinformations"-Gesetz gegen Politiker angewendet werde, "um ihre Meinungsfreiheit einzuschränken. Genau das ist passiert."

Erdogan, der seit Langem mit harter Hand gegen seine Gegner vorgeht, will sich im kommenden Jahr im Amt bestätigen lassen. Es dürfte für ihn die schwierigste Wahl seit Beginn seiner Amtszeit vor fast zwei Jahrzehnten werden. Die Umfragewerte seiner Regierungspartei sind wegen einer galoppierenden Inflation und einer Währungskrise auf einem historischen Tief. CHP-Chef Kilicdaroglu wird als ein möglicher Herausforderer gehandelt, daneben fallen besonders oft die Namen seiner Parteikollegen Ekrem İmamoğlu Mansur Yavas, den Oberbürgermeistern von Istanbul und Ankara.

Quelle: ntv.de, mpe mit AFP/dpa

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