Verbot der prokurdischen Partei Bund zweifelt türkische Rechtsstaatlichkeit an
18.03.2021, 18:42 Uhr
In Istanbul wird gegen die HDP-Verbotspläne protestiert. Die Oppositionspartei hatte das Verfahren als "politischen Putsch" angeprangert.
(Foto: REUTERS)
Deutschland, die EU und USA kritisieren die Türkei wegen des Verbotsverfahrens der prokurdischen Oppositionspartei HDP scharf. Die HDP will sich mit "politischem Widerstand" wehren. Währenddessen ist einem ersten HDP-Politiker bereits das Mandat entzogen worden.
Nach der Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die prokurdische Oppositionspartei HDP in der Türkei hat die Bundesregierung deutliche Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit in dem Land zum Ausdruck gebracht. "Der Fall der HDP wirft erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit auf", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Auch der Entzug des Mandats für den HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioglu und das strafrechtliche Vorgehen gegen zahlreiche weitere Abgeordnete und Mitglieder der HDP "reihen sich in eine Entwicklung ein, die die rechtsstaatlichen Abläufe in der Türkei in Frage stellt".
Das Auswärtige Amt erinnerte die Regierung in Ankara daran, dass ein Parteiverbot "in einer Demokratie nur das aller letzte Mittel sein" könne. Eine Demokratie brauche Meinungsvielfalt, dazu gehöre auch eine lebendige Opposition. "Die Bundesregierung erwartet von der Türkei die Einhaltung höchster demokratischer und rechtsstaatlicher Standards, zu denen sich auch die Türkei als Mitglied des Europarats und EU-Beitrittskandidat verpflichtet hat."
Auch die EU kritisiert das türkische Vorgehen gegen die HDP scharf. "Die zweitgrößte Oppositionspartei des Landes zu verbieten, würde die Rechte von Millionen Wählern in der Türkei verletzen", teilten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und EU-Kommissar Oliver Varhelyi mit. Dies komme zu den Bedenken der EU wegen des Rückfalls bei Grundrechten hinzu und untergrabe die Glaubwürdigkeit des Engagements der türkischen Behörden für Reformen. Man sei tief besorgt.
Verbot mit Terrorvorwürfen begründet
Die türkische Generalstaatsanwaltschaft hatte am Mittwoch einen Verbotsantrag gegen die HDP beim Verfassungsgericht des Landes wegen "terroristischer Aktivitäten" eingereicht. Die Staatsanwaltschaft verlangt der Staatsagentur Anadolu zufolge zudem ein Verbot der politischen Betätigung für mehr als 600 HDP-Politiker. Dem HDP-Abgeordneten Gergerlioglu wurde ebenfalls am Mittwoch aufgrund eines rechtskräftigen Urteils das Mandat als Abgeordneter und damit die Immunität entzogen.
Hintergrund des Urteils ist ein Tweet aus dem Jahr 2016. Sowohl der unrechtmäßige Entzug des Mandats Gergerlioglus, als auch die Klage zur Schließung der Partei zeige "die Verzweiflung und Hilflosigkeit" der politischen Führung, sagte der HDP-Co-Vorsitzende Mithat Sancar. Mit diesen "Manövern" versuche sie, an der Macht zu bleiben, und wende "Diktaturmethoden" an. Jeder Angriff sei dabei ein Eingeständnis, dass sie sich selbst auflöse.
Die zweitgrößte, linksgerichtete Oppositionspartei des Landes ist seit Jahren im Visier der islamisch-nationalistischen Regierung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigt die HDP regelmäßig, der politische Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein, die im Südosten des Landes und im Nordirak gegen die türkische Armee kämpft.
Die HDP weist die Vorwürfe immer wieder zurück. Das Auswärtige Amt forderte die HDP nun auch auf, sich klar von der PKK abzugrenzen. Die Verbotspläne hatte die HDP am Mittwoch als "politischen Putsch" angeprangert und politischen Widerstand angekündigt. Auch die USA kritisierten das Vorgehen der türkischen Behörden, ebenso wie eine Reihe von Bundestagsabgeordneten der Linken und der Grünen.
Quelle: ntv.de, ysc/AFP/dpa