Plädoyers im NSU-Prozess Bundesanwalt sieht Zschäpe als Mittäterin
25.07.2017, 12:25 Uhr
Nach dem Gezerre um einen Tonbandmitschnitt vom Schlussvortrag des Bundesanwalts beginnen nun die Plädoyers: Die Anklage fordert eine Verurteilung von Beate Zschäpe als Mittäterin bei den NSU-Morden. Alle Vorwürfe gegen die 42-Jährige sieht sie bestätigt.
Die Bundesanwaltschaft fordert eine Verurteilung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Bundesanwalt Herbert Diemer sagte zu Beginn der Plädoyers im Münchner NSU-Prozess, die Vorwürfe gegen Zschäpe und die vier Mitangeklagten hätten sich in allen wesentlichen Punkten bestätigt.
Die Anklage argumentiert, Zschäpe sei entgegen ihrer eigenen Aussage gleichberechtigtes Mitglied des NSU und in die Logistik der Taten arbeitsteilig eingebunden gewesen. "Die Täter, Hoher Senat, waren Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe", sagte Diemer. Er bezeichnete die Verbrechen des NSU als die "heftigsten und infamsten" Terroranschläge seit der linksextremen Rote Armee Fraktion (RAF). "Motiv für all diese Verbrechen war rechtsextremistische Ideologie."
Das Ziel sei ein "ausländerfreies" Land gewesen, sagte Diemer. Die Bundesrepublik habe in ihren Grundfesten erschüttert werden sollen. Der NSU habe versucht, einem "widerwärtigen Naziregime den Boden zu bereiten". Die Opfer seien nur wegen ihrer ausländischen Herkunft "hingerichtet" worden, weil sie in den Augen Zschäpes und ihrer beiden Komplizen in Deutschland nichts zu suchen gehabt hätten. Sämtliche Opfer seien "willkürlich herausgegriffen" worden, sagte der Bundesanwalt.
Gericht lehnte Mitschnitte ab
Ursprünglich hätten die Plädoyers nach dem Willen des Gerichts schon am vergangenen Mittwoch beginnen sollen - nach mehr als vier Jahren Prozessdauer. Das juristische Hickhack über eine mögliche Tonbandaufnahme verhinderte dies aber. Das Gericht lehnte erneut den Wunsch einer Reihe von Verteidigern ab, den Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft auf Tonband aufzuzeichnen.
Zudem wies das Gericht die Forderung zurück, das Plädoyer alternativ mitstenografieren oder das Redemanuskript der Ankläger an die Verfahrensbeteiligten aushändigen zu lassen. Die Anwälte von Zschäpe und dem Mitangeklagten Ralf Wohlleben hatten daraufhin eine Unterbrechung der Verhandlung beantragt, um über einen möglichen Befangenheitsantrag gegen das Gericht zu beraten. Sie entschieden sich dagegen.
Die Verteidiger hatten unter anderem argumentiert, es sei für ihre Mandanten unmöglich, 22 Stunden Schlussvortrag mit der nötigen Konzentration zu folgen. Diese Argumentation wies das Gericht gemeinsam mit allen Anträgen der Anwälte zurück. "Im deutschen Strafprozess herrscht das Prinzip der Mündlichkeit", sagte Götzl. Es bestehe kein Zweifel, dass die Angeklagten ihre Verfahrensrechte sachgerecht ausüben könnten.
Zschäpe droht lebenslange Haft
Hauptangeklagte im Prozess ist die mutmaßliche Rechtsterroristin Zschäpe - ihr droht lebenslange Haft. Der 42-Jährigen wird Mittäterschaft an sämtlichen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrund" vorgeworfen. Zschäpe lebte fast 14 Jahre mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund.
Die beiden Männer sollen während dieser Zeit zehn Menschen ermordet haben, neun von ihnen aus rassistischen Motiven. Zschäpe soll von allen Morden gewusst und diese unterstützt haben - sie selbst bestreitet das. Neben Zschäpe und Wohlleben sitzen noch drei weitere mutmaßliche Terrorhelfer und -unterstützer auf der Anklagebank. Das Mammutverfahren hatte am 6. Mai 2013 begonnen.
Quelle: ntv.de, jug/dpa