Wegen Seehofers Einreise-Regeln Corona wird für Paare zum Beziehungskiller
06.08.2020, 17:39 Uhr
Dass sich Paare auch in Corona-Zeiten nahe sein können, ist keine Selbstverständlichkeit.
(Foto: picture alliance/dpa)
Für Paare, die auf unterschiedlichen Seiten der Grenze leben, ist die Corona-Krise eine echte Beziehungsprobe: Wegen der Einreisebeschränkungen haben sie sich wochen- und monatelang nicht gesehen. Bundesinnenminister Seehofer setzt auf eine europaweite Lösung. Doch Kritiker halten das für vorgeschoben.
Wegen der strengen Corona-Regeln leben viele unverheiratete Paare mit Wohnsitzen in zwei verschiedenen Staaten seit Wochen unfreiwillig getrennt. Auf EU-Ebene führt das inzwischen zu Streit - vor allem der Druck auf Bundesinnenminister Horst Seehofer steigt, die nationalen Einreisebeschränkungen für diese Paare zu lockern. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, die geltenden EU-Empfehlungen würden dies eindeutig ermöglichen. Konkret geht es um Ausländer in festen Partnerschaften mit einem EU-Bürger: Im Moment sind ein Trauschein oder eine eingetragene Partnerschaft keine Voraussetzung für den Grenzübertritt.
Am 27. Juli habe die EU-Kommission zuletzt noch einmal alle EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, Ausländer in einer dauerhaften Beziehung mit einem Unionsbürger einreisen zu lassen, erklärte der Sprecher. Die EU-Empfehlung erlaube auch für unverheiratete Paare Ausnahmen von der Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen. Betroffene Paare fordern vom Bundesinnenministerium bereits seit Wochen eine Aufhebung der Reisebeschränkungen - damit sie sich auch in Corona-Zeiten sehen können. Seehofer verwies allerdings bis zuletzt darauf, dass er eine europäische und keine nationale Lösung wolle.
Zwar wird in der EU-Kommission bestätigt, dass sich das Bundesinnenministerium wegen der Sache gemeldet hat. Die Gespräche dauern nach Angaben des Innenministeriums noch an. Eine unbedingte Notwendigkeit für weitere Abstimmungen sieht man auf EU-Ebene aber nicht. Der Sprecher sagte lediglich, man arbeite mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft daran, den europäischen Ansatz "zu klären". Doch was eine solche Klärung wirklich bringen soll, ist unklar - denn was Reisebeschränkungen angeht, erteilt die EU lediglich Empfehlungen. Ob sie umgesetzt werden, wird national entschieden.
Kritik an Seehofer von Linken und SPD
"Die Begründung Seehofers, er wolle in dieser Hinsicht eine europäische Lösung, ist einfach nur vorgeschoben", kommentierte die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Linke). Es sei absolut unbegreiflich, warum der CSU-Politiker unverheirateten binationalen Paaren auf solch perfide Weise das Leben schwer mache. Auch pandemiepolitisch lasse sich das Festhalten an den Reisebeschränkungen nicht begründen. "14 Tage Quarantäne oder Corona-Tests würden hier vollkommen ausreichen", kommentierte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Seehofers Vorgehen bedeute großes Leid für die Betroffenen, wo doch gerade in Zeiten der Krise das Zusammenleben besonders wichtig sei. Selbst vom Koalitionspartner SPD war jüngst Kritik an Seehofers Kurs geäußert worden. "Deutschland sollte in Europa Vorreiter und nicht Nachzügler sein, wenn es darum geht, geliebte Menschen wieder zusammenzubringen, die durch Corona seit Monaten auseinandergerissen sind", kritisierte Bundesaußenminister Heiko Maas im "Spiegel". Es sei gut, an einer europäischen Lösung zu arbeiten, aber in der Zwischenzeit müsse man die rechtlichen Spielräume nutzen, um den am schwersten getroffenen Paaren pragmatische Lösungen anzubieten.
Auch die SPD-Bundestagsfraktion schrieb bereits an Seehofer und wies darauf hin, dass eine zunehmende Anzahl europäischer Länder entsprechende Regeln für Drittstaatsangehörige eingeführt habe. "Warum das, was in anderen Ländern möglich ist, für unsere Behörden und insbesondere unsere Grenzbehörden einen nicht vertretbaren Aufwand darstellen soll, erschließt sich uns nicht." Im Gegensatz zu Deutschland sind schon mehrere andere EU-Staaten den Aufforderungen der EU-Kommission gefolgt. Länder wie Dänemark, Österreich und die Niederlande nutzen bereits bestehenden Empfehlungen, um binationalen Paaren Lösungen zu bieten.
Quelle: ntv.de, jug/dpa