Politik

Wer ist Alexej Nawalny? Das ist Putins mächtigster Widersacher

Die Bundesregierung sieht inzwischen Hinweise, dass Nawalny vergiftet worden ist.

Die Bundesregierung sieht inzwischen Hinweise, dass Nawalny vergiftet worden ist.

(Foto: REUTERS)

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny wird derzeit in Berlin wegen einer möglichen Vergiftung behandelt. Doch wer ist der Mann eigentlich, der dem Kreml gefährlich werden kann?

Die Bundesregierung geht inzwischen mit einer "gewissen Wahrscheinlichkeit" davon aus, dass Alexej Nawalny vergiftet worden ist. So formulierte es Regierungssprecher Steffen Seibert. Am 22. August hatte ein Spezialflugzeug den russischen Oppositionspolitiker aus dem 4000 Kilometer entfernten Omsk nach Berlin gebracht, wo er seither unter dem Schutz des Bundeskriminalamtes steht. Nawalnys Team geht davon aus, dass er während einer Reise durch Sibirien Opfer eines Giftangriffs wurde. Die russischen Ärzte sprachen lediglich von einer Stoffwechselstörung. Es gibt dafür bisher keine Beweise - aber er wäre nicht der erste Kreml-Gegner, der vergiftet wird. Sein Transport nach Deutschland mutet an, als solle er vor dem Zugriff des Kremls geschützt werden. Aber was macht ihn aus Sicht der Mächtigen in Moskau so gefährlich?

Nawalny ist der mit Abstand prominenteste innenpolitische Widersacher des Präsidenten Wladimir Putin. Sein Satz "Partei der Gauner und Diebe" in Bezug auf die Regierungspartei Einiges Russland wurde zum Symbolslogan der politischen Proteste in Russland der Zehnerjahre. Mit der von dem 44-Jährigen angeführten Stiftung für Korruptionsbekämpfung deckte Nawalny die Korruption in den höchsten Ebenen der russischen Politik und Wirtschaft auf. Außerdem ist der Politiker mit 27 Prozent bei der Moskauer Bürgermeisterwahl 2013 gegen den von Putin unterstützen Bürgermeister Sergej Sobjanin für das wohl bemerkenswerte Wahlergebnis der außerparlamentarischen Opposition in Russland verantwortlich.

"Die Migranten kommen mit sehr eigenartigen Werten"

Der aus der Umgebung von Moskau stammende Nawalny studierte Jura und Finanzen an verschiedenen russischen Universitäten und hat auch ein Semester in Yale verbracht. In den Nullerjahren war er vor allem als Rechtsanwalt und Unternehmer tätig. Politisch engagierte er sich zunächst bei der demokratischen Partei Jabloko ("Apfel"), aus der er allerdings 2007 wegen "nationalistischer Tätigkeit" ausgeschlossen wurde. Nawalny selbst geht jedoch davon aus, dass sein Ausschluss vor allem mit den Rücktrittsforderungen an den Parteichef zu tun hatten.

Dennoch hat er im Anschluss die nationaldemokratische Bewegung Volk mitgegründet, bezeichnete sich öffentlich als Nationaldemokrat und nahm zudem ständig an dem umstrittenen rechtsextremen Russischen Marsch teil. Vor allem hat sich der Politiker stark gegen die Arbeitsmigration aus Zentralasien sowie die innenrussische Migration aus dem Kaukasus positioniert: "Die Migranten kommen mit ihren sehr eigenartigen Werten nach Russland", war eine seiner prominenten Äußerungen zu diesem Thema. Zu seinen Forderungen gehörten unter anderem die Einführung der Visapflicht für zentralasiatische Länder sowie die Verringerung der Selbstbestimmung Tschetscheniens. Diese Werte, die er noch während der Proteste nach der mutmaßlich gefälschten Parlamentswahl 2011 vertrat, relativierte Nawalny im Laufe der Zeit. Sie blieben als eine der wichtigsten Kritikpunkte an seiner Person jedoch stets bestehen.

Sein letztes Projekt: die "kluge Abstimmung"

Mit der Zeit stieg Nawalny zur wichtigsten Oppositionsfigur Russlands auf. Die Antwort darauf waren zahlreiche Verfahren, die gegen ihn in den Nullerjahren geführt wurden. Der bekannteste Fall war der Fall Kirowles. Nawalny soll als Berater des Gouverneurs des Bezirks Kirow mehr als 30.000 Euro beim Holzbetrieb Kirowles veruntreut haben. Er wurde 2013 deswegen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, später wurde diese Strafe etwas überraschend auf Bewährung ausgesetzt. Wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs der Menschenrechte, der den Prozess scharf kritisierte, wurde der Fall schließlich neu verhandelt und Nawalny wurde 2017 erneut schuldig gesprochen, was dazu führte, dass er an der Präsidentschaftswahl 2018 nicht teilnehmen durfte. In einem anderen Fall bekam Nawalny Ende 2014 eine Bewährungsstrafe von dreieinhalb Jahren.

Als er 2013 bei der Bürgermeisterwahl 27 Prozent der Stimmen bekam, obwohl er von den staatlichen Medien so gut wie ignoriert wurde, wurde seine Position als informeller Anführer der generell eher zerstrittenen russischen Opposition für immer gefestigt. Und obwohl der Rechtsanwalt an der Präsidentschaftswahl 2018 nicht teilnehmen durfte, holte sein kluger Wahlkampf im Internet neue, überwiegend jüngere Unterstützer auf seine Seite, die ein Jahr zuvor bei den von Nawalny angeführten landesweiten Antikorruptionsprotesten ihr Gesicht zeigten. Damals hat die Recherche seiner Stiftung für Korruptionsbekämpfung über das mehrstufige Korruptionssystem um den Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew nicht nur in Moskau, sondern in vielen Regionen des Landes eine Empörungswelle ausgelöst.

Zuletzt arbeitete Nawalny an Antikorrupionsrecherchen und seiner Strategie der "klugen Abstimmung", bei der aus darum ging, bei Lokalwahlen für den aussichtsreichsten Kandidaten abzustimmen, der nicht für die Regierungspartei Einiges Russland antritt. Diese Strategie wurde durchaus als eine Gefahr für den Kreml eingeschätzt. Nawalnys wichtigstes Kapital ist das Millionenpublikum, das seinen Kanälen in den sozialen Netzwerken folgt und mit dem er in der Lage war, die Informationsblockade rund um seine Person bei den Staatsmedien zu durchbrechen. Nawalny ist selbst in Oppositionskreisen nicht unumstritten, auch wegen seiner rechten Agenda in der Vergangenheit. Dennoch gibt es keinen anderen Putin-Gegner, der so beliebt ist und dem Kreml derart effektiv Paroli bieten kann.

Quelle: ntv.de

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