Politik

Zum Tod von Schimon Peres Der letzte Gründervater

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Schimon Peres hatte lange einen schweren Stand bei seinen Landsleuten. Erst im Alter wurde er mit Anerkennung für seine politische Arbeit belohnt.

Schimon Peres hatte lange einen schweren Stand bei seinen Landsleuten. Erst im Alter wurde er mit Anerkennung für seine politische Arbeit belohnt.

(Foto: REUTERS)

"Wir haben unsere Queen, ihr habt euren Schimon", sagte der britische Ex-Premier Blair vor drei Jahren zum 90. Geburtstag von Schimon Peres. Der ehemalige Staatschef Israels war länger als jeder andere für sein Land politisch aktiv. Nun ist er gestorben.

Sein Geburtsdatum ist wie seine Lebensbilanz - nicht ganz eindeutig und offenen Fragen unterworfen. Irgendwann zwischen dem 2. und dem 16. August 1923 wurde Szymon Perski im ostpolnischen Wischnewa geboren, das heute zu Weißrussland gehört. Als Elfjähriger kam er ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina, nannte sich fortan Schimon Peres und glich seinen Geburtstag dem jüdischen Kalender und dem Datum seiner Alija, der Rückkehr ins Gelobte Land, an.

Die pompösen Feierlichkeiten zu Peres' 90. Geburtstag 2013 wurden in den Medien als "kitschige Gala" gegeißelt.

Die pompösen Feierlichkeiten zu Peres' 90. Geburtstag 2013 wurden in den Medien als "kitschige Gala" gegeißelt.

(Foto: REUTERS)

Die Ursache der Konfusion um das Geburtsdatum ist also schnell aufgeklärt. Komplexer ist die Antwort auf die Frage, warum der Friedensnobelpreisträger international hochgeachtet wurde, in Israel selbst aber erst seit seiner Wahl zum Staatsoberhaupt 2007 die Zuneigung erfuhr, die dem Vollblutpolitiker zuvor jahrzehntelang versagt worden war.

Schon mit 29 Jahren wurde Peres von seinem politischen Ziehvater David Ben Gurion zum Generaldirektor im Verteidigungsministerium ernannt. Er fädelte mit französischer Unterstützung das bis heute geheime Atomprogramm ein, wurde 1959 erstmals ins Parlament gewählt und galt lange Jahre als Vertreter einer harten Linie gegenüber den Palästinensern.

Je dreimal war der Sohn eines Holzhändlers und Cousin der Hollywood-Schauspielerin Lauren Bacall Regierungschef, Verteidigungs- und Außenminister. 48 Jahre lang saß er für drei verschiedene Parteien in der Knesset und gehörte 16 Regierungen an. 1994 erhielt er zusammen mit Jassir Arafat und Jitzchak Rabin den Friedensnobelpreis für seine Verdienste im Oslo-Friedensprozess. Jitzchak Rabin wurde im November 1995 von einem streng-religiösen israelischen Studenten ermordet und Peres übernahm das Amt des Ministerpräsidenten.

Peres - der ewige Verlierer

So anerkannt Schimon Peres im Ausland war - in Israel zählte jahrelang nur, dass er kein Soldat und kein Wahlgewinner war. Der elegante Mann mit dem ewigen polnischen Akzent schien den Israelis stets zu abgehoben.

So anerkannt Schimon Peres im Ausland war - in Israel zählte jahrelang nur, dass er kein Soldat und kein Wahlgewinner war. Der elegante Mann mit dem ewigen polnischen Akzent schien den Israelis stets zu abgehoben.

(Foto: REUTERS)

Der eloquente Mann prägte entscheidend die Geschicke Israels mit und wurde bis zu seinem Tod, als letzter Vertreter der politischen Gründergeneration, auch bewundert für seine Vitalität. Doch das Verhältnis zu seinen Landsleuten war all die Jahrzehnte mehr als gespalten. Obwohl er 19 Jahre lang die israelische Arbeitspartei führte, galt Peres als "ewiger Zweiter", der keine Wahlen gewinnen konnte und zumeist im Schatten charismatischerer Politiker agierte. Auch Regierungschef wurde Peres nie als Wahlsieger, sondern zweimal mit Übergangsmandat und einmal im Rahmen einer Rotationsabsprache. "Schimon Peres würde selbst dann verlieren, wenn er gegen Schimon Peres anträte", spotteten seine Kritiker.

Die israelische Öffentlichkeit reagierte deshalb deutlich irritiert, als das Umfeld des Präsidenten im Juni 2013 eine vorgezogene bombastische Geburtstagsfeier zu Peres' 90. Geburtstag mit 3000 Gästen organisierte. Vor allem ein Einspielfilm, der im Beisein von Ex-US-Präsident Bill Clinton (der sich seinen Auftritt teuer bezahlen ließ) und den US-Schauspielern Sharon Stone, Barbra Streisand und Robert de Niro die Verdienste des Geburtstagskinds übertrieben herausstellte und unpassende Lebensabschnitte ausließ, erregte breiten Widerspruch.

Personenkult um "Kim Il Peres"

Von der linken "Haaretz" bis zum konservativen Massenblatt "Jediot Ahronot" beklagten die Kommentatoren "Personenkult im Stil Nordkoreas" rund um "Kim Il Peres". Und die Biografen machten sich daran, an den anderen Peres, den Falken und ewigen Rivalen des ermordeten Jizchak Rabin zu erinnern: So hatte Peres 1975 als Verteidigungsminister im Widerspruch zur Haltung seiner Arbeitspartei ultranationalistischen Siedlern Rückendeckung gegeben, die die ersten drei jüdischen Siedlungen im Herzen des Westjordanlands errichteten.

Der Publizist David Landau, der zusammen mit Peres zwei Biografien verfasste, ist sich sicher, dass "die internationale Gemeinschaft nicht die Langlebigkeit von Peres feierte, sondern seine Bußfertigkeit". In einem Gastkommentar für die "Haaretz" schrieb Landau: "Schimon Peres als die Verkörperung der Hauptströmung der israelischen Politik personifiziert den schmerzlichen und widerwilligen Bruch mit der Idee von Groß-Israel". Gereift habe sich Peres der Zweistaatenlösung verschrieben, "verspätet, aber rückhaltlos", schrieb Landau.

Ein Leben für die Politik

Schimon Peres 1985 mit seiner Frau Sonya. Sie starb 2011 im Alter von 87 Jahren.

Schimon Peres 1985 mit seiner Frau Sonya. Sie starb 2011 im Alter von 87 Jahren.

(Foto: dpa)

Bei aller Kritik wurde jedoch auch sein Durchhaltevermögen bewundert. Bevor Peres vor neun Jahren erstmals eine Wahl gewann und das Präsidentenamt übernahm, erklärte er, sich im Fall seiner Niederlage intensiv Gedanken um seine Zukunft machen zu wollen. Diese Ankündigung aus dem Mund eines Mitt-Achtzigers wurde damals zum geflügelten Wort aller betagten Israelis. Peres sei von der Zukunft besessen, wie die alljährlich unter seiner Schirmherrschaft stattfindende Präsidentenkonferenz "Facing Tomorrow", in deren Rahmen die Geburtstagssause stattfand, zeige, heißt es.

Neben der Politik hatte nicht viel anderes Platz in seinem Leben. Er könne nicht mal Urlaub machen, hatte Peres vor einigen Jahren verraten. "Was soll ich denn im Urlaub, mehr schlafen, mehr essen? Immer wenn ich Urlaub brauche, lese ich ein Buch. Ich schwimme lieber im See der Weisheit als im salzigen Meerwasser." Seine Frau unternahm im Jahr 2008 einen letzten Versuch, ihren Ehemann nach 62 Jahren mal für sich zu haben: "Genug, ich will nicht, dass Du weiter Präsident bist", wurde sie zitiert. Sie wollte mit ihrer Jugendliebe ins Altersheim umziehen, hatte aber keinen Erfolg mit ihrem Vorstoß.

Als Präsident geschätzt

An dem Tag, als ihr Mann seine Kandidatur für das Präsidentenamt verkündete, wurde sie mit Herzbeschwerden in einem kritischen Zustand ins Krankhaus eingeliefert. Nach der Wahl weigerte sich die stille Frau dann, mit Peres in die Residenz nach Jerusalem zu ziehen. Sie blieb in ihrem Haus in Tel Aviv, wo sie im Januar 2011 im Alter von 87 Jahren starb und neben Schimon drei Kinder, zahlreiche Enkelkinder und zwei Urenkel hinterließ. Dass sie ihr bescheidenes Privatleben dem auf der politischen Bühne vorzog, wurde ihr in Israel jahrelang übelgenommen. Sie sei schuld daran, dass Peres oft einsam und traurig wirke, hieß es. Mit ihr an seiner Seite hätte er so manche Wahl vielleicht doch gewonnen.

Als Präsident schien Schimon Peres endlich angekommen zu sein. Mit seinem Amtsantritt 2007 hatte der zweimalige frühere Ministerpräsident auch eine aktive Rolle in der internationalen Diplomatie übernommen, obwohl das Präsidentenamt in Israel ähnlich wie in Deutschland auf Repräsentation ausgerichtet ist. Zwar arbeitete er eng mit dem konservativen Regierungschef Benjamin Netanjahu zusammen, vertrat dabei nach außen aber eine weniger robuste und dafür eher behutsame Politik.

Immer wieder warf Peres sein Prestige in die Waagschale, das er im Westen als Architekt der früheren Friedensabkommen mit den Palästinensern und Repräsentant des aufgeklärten Israels genoss, um sein Land vor wachsender internationaler Isolation zu schützen. Und nach all den Jahren des Engagements für den Zusammenhalt der politisch, ethnisch und religiös zerrissenen israelischen Gesellschaft, dankte diese ihm endlich dafür.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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