Henning Otte im Frühstart"Die Truppe muss gestärkt werden, damit Abschreckung glaubhaft gelingt"

Noch immer diskutiert die Koalition über den neuen Wehrdienst. Der Wehrbeauftragte fordert messbare Ziele und flächendeckende Musterungen. Noch sei die Armee nicht kriegstauglich.
In der Debatte um den Wehrdienst fordert der Wehrbeauftragte des Bundestages eine schnelle und gründliche Lösung. "Die Erwartungshaltung in der Truppe ist hoch, in der Gesellschaft insgesamt", sagte der CDU-Politiker Henning Otte im Frühstart von ntv. Es gebe noch Nachholbedarf, um die Bundeswehr kriegstauglich zu machen, so Otte.
"Die Lage ist so ernst, dass wir den Dingen ins Gesicht sehen müssen, um stark und abwehrfähig zu sein." Genau deshalb sei er dafür, die Armee zu erweitern, statt immer neue Lasten auf die Schultern der bestehenden Truppe zu legen. Es brauche einen sogenannten Bedarfswehrdienst, der sich an den Fähigkeiten der Truppe orientiere. "Denn darum geht es: Die Truppe zu stärken, damit die Abschreckung glaubhaft gelingt."
Der Wehrbeauftragte sprach sich deshalb dafür aus, im Wehrdienstgesetz klare Zielzahlen festzulegen und eine mögliche Wehrpflicht zu aktivieren, sollten sie verfehlt werden. Es wäre gut, wenn im Gesetz stünde, zu welchem Zeitpunkt wie viele Freiwillige gefunden sein sollen, sagte Otte. So werde messbar, ob die jeweiligen Meilensteine erreicht wurden. Er denke, Verteidigungsminister Boris Pistorius sehe diese Notwendigkeit auch. Mit Blick auf den geplanten Aufwuchs der Truppe sagte Otte: "Das Verteidigungsministerium hat eigene Zahlen und Ziele gesetzt, daran darf das Ministerium jetzt nicht scheitern."
Jusos lehnen "Wehrpflicht durch die Hintertür" ab
Beim SPD-Parteitag im Juni hatte die SPD beschlossen, "keine aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger" ins Gesetz zu schreiben, "bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind". Auf diese Einigung pochen weiterhin die Jusos. Pistorius sagt mittlerweile, es solle "Pflichtelemente" geben, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden.
"Wir wollen keine aktivierbare Wehrpflicht, keine Wehrpflicht durch die Hintertür in diesem Gesetz", sagte Juso-Chef Philipp Türmer bei ntv. Das Thema auf vielen Schulhöfen sei, ob junge Menschen künftig verpflichtend eingezogen werden sollten. Die Jusos seien dagegen. "Wir bleiben dabei, wir setzen voll auf Freiwilligkeit." Türmer sprach sich auch gegen die von Pistorius geforderte obligatorische Musterung aus.
Türmer warf der Union vor, sich nicht dazu zu bekennen, den Sold der Wehrdienstleistenden zu erhöhen. Wenn Menschen freiwillig zur Truppe kommen sollten, müsse man sie auch ordentlich bezahlen. Die Bedingungen müssten verbessert werden. "Das ist das, was die Bundeswehr jetzt braucht."
Otte zeigte sich indes optimistisch, genug Freiwillige zu finden. Ein mögliches Losverfahren werde voraussichtlich nicht mehr gebraucht, sobald es Mitte 2027 die flächendeckenden Musterungen gebe, so der Wehrbeauftragte. Für eine Musterung ganzer Jahrgänge müsse die Infrastruktur bei der Bundeswehr umgebaut werden. Das dauere laut Experten etwa 18 Monate. "Es ist schon viel Zeit verschenkt worden - es wird jetzt allerhöchste Zeit, in Gang zu kommen." Der Wehrbeauftragte forderte, bei den Musterungen einen moderneren und freundlicheren Weg zu gehen als früher. Man wolle schließlich Menschen für die Armee gewinnen.