Politik

"Das Baby war eiskalt" Die dramatische Rettung vor Ceuta

Juan Francisco Valle rettet die kleine Jawaher.

Juan Francisco Valle rettet die kleine Jawaher.

(Foto: Guardia Civil)

Das Foto ging im Mai um die Welt: Ein Rettungstaucher der spanischen Guardia Civil rettet ein Baby, dessen Mutter mit ihm in die Enklave Ceuta fliehen wollte, vor dem Ertrinken. Eine Begegnung einen Monat später.

Die kleine Jawaher ist noch immer winzig. Seelenruhig schläft sie, in eine rosa Decke gehüllt, im Arm ihrer Mutter. Sie weiß noch nicht, dass das Foto ihrer dramatischen Rettung um die Welt ging. Für ihre Mutter zählt nur, dass die Kleine die gefährliche Flucht nach Ceuta überlebt hat.

Naima Bakkali mit ihren Kindern in Ceuta.

Naima Bakkali mit ihren Kindern in Ceuta.

(Foto: ntv)

Es ist der 18. Mai. Die ersten Migranten kommen am Strand von Ceuta an - schwimmend. Die Sicherheitskräfte in der spanischen Exklave sind überrumpelt. Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Die Grenze sei offen, heißt es. Es kommen immer mehr Afrikaner, die meisten sind Marokkaner, so wie Naima Bakkali, Jawahers Mutter.

"Ich wollte schon lange nach Ceuta, ich habe nur auf eine Gelegenheit gewartet", sagt Naima. "Als ich hörte, dass man über die Grenze kann, habe ich meine zwei Jungen und das Baby eingepackt, und dann sind wir zum Strand."

Ihren Mann kann sie nicht erreichen, der kommt erst später nach. Die beiden Jungen sollen schwimmen und sie selbst bindet sich das Baby auf den Rücken. Erst vier Wochen ist Jawaher da alt. Doch die dreifache Mutter ist verzweifelt und stürzt sich mit den anderen Migranten ins Meer und schwimmt. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr kann", sagt Naima und fährt fort: "Ich hatte keine Kraft mehr. Es war so kalt und ich hatte Angst um mein Baby. Ich habe um Hilfe geschrien, jemand hat mir einen Rettungsring zugeworfen. Aber ich konnte nicht mehr."

Die Wellen sind stark und die spanischen Sicherheitskräfte versuchen, die Flüchtenden zurückzudrängen, zur Umkehr zu bewegen. Doch es ist klar, dass das viele nicht schaffen. Naima kämpft und schreit. Ein Rettungstaucher der Guardia Civil, Juan Francisco Valle, sieht sie. Später sagt er spanischen Medien, er dachte, die Frau habe einen Rucksack auf dem Rücken, dann sieht er, dass es ein Kind ist. "Das Baby war eiskalt und völlig blass", meint Valle. Er wusste nicht, ob es noch lebt. Das Foto von der Rettung geht um die Welt.

Naima ist dem Taucher unendlich dankbar. Sie war sich nicht bewusst, dass es so gefährlich ist. Sie wollte nicht das Leben ihrer Kinder riskieren, sagt sie. Aber sie und ihr Mann sahen keine andere Lösung. Vor Corona ging es der Familie gut, sagt die 30-Jährige. Sie wohnten im marokkanischen Tetouan. Sie kauften Waren steuerfrei in Ceuta, brachten sie nach Marokko und verkauften sie dort teurer. "Contrebande" nennen sie das hier - Schmuggel. Aber dann kam die Pandemie. Und seit Monaten ist die Grenze zu.

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Naima zieht sich den Hijab enger um das Gesicht und spricht leiser. "Wir haben kein Geld mehr. In Marokko finden wir keine Arbeit. Das wird sich auch nach Corona nicht ändern." Sie weint: "Ich will nur irgendwo leben, wo wir Geld verdienen können und wo meine Kinder in die Schule gehen können. Wo wir friedlich leben können."

Die Familie hat Asyl beantragt. Sie wohnen jetzt in einem Auffangzentrum. Die meisten der rund zehntausend Migranten, die Mitte Mai nach Ceuta kamen, wurden wieder abgeschoben. Naima weiß nicht, ob sie und ihre Familie bleiben können. Aber die Flucht nach Spanien bereut sie keine Sekunde.

Quelle: ntv.de

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