Raketenfehlalarm auf Hawaii "Ein Tag, den wir niemals vergessen werden"
15.01.2018, 07:55 Uhr
Auf dem Campus der Universität von Hawaii versuchen Studenten, sich in Sicherheit zu bringen.
(Foto: REUTERS)
Ein falscher Knopfdruck löst im US-Bundesstaat Hawaii Angst und Schrecken aus. Der Fehlalarm zeigt, wie unvorbereitet die meisten Menschen im Ernstfall wären. Nur ein bekanntes Auswandererpaar aus Deutschland hat von dem Chaos nichts mitbekommen.
Es sind Bilder, die man in den USA normalerweise nur von Amokläufen kennt: Studenten laufen panisch über das Campusgelände einer Universität. Familien verbarrikadieren sich. Urlauber rennen vom Strand ins Hotel. Der Grund war jedoch keine Schießerei, sondern ein Alarm, der von der Katastrophenbehörde in Hawaii um kurz nach 8 Uhr am Samstagmorgen ausgesendet wurde.
In der Meldung warnte die Hawaii Emergency Management Agency vor einer Rakete, die auf Hawaii zusteuert. "Dies ist keine Übung", war in der Nachricht zu lesen, die in Großbuchstaben auf den Mobiltelefonen der meisten Einwohner aufleuchtete. Die Meldung, die sich später als Fehlalarm herausstellte, wurde zudem im Radio und im Fernsehen ausgestrahlt.
Aufgrund der Drohungen aus Nordkorea haben die hawaiianischen Behörden im vergangen Jahr angefangen, die Bevölkerung auf den Ernstfall vorzubereiten. Wie der Fehlalarm jedoch verdeutlichte, ist dies bei den meisten Bewohnern des US-Bundesstaates noch nicht angekommen. "Die Vorbereitung muss schon passiert sein, bevor der Alarm ausgelöst wird", sagt Denis Salle zu n-tv.de. Salle ist Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Hawaii. "Das heißt, die gesamte Bevölkerung Hawaiis ist gezwungen, fortan im Alarmzustand zu leben - Wasser, Nahrung und Kleidung jederzeit griffbereit, um mindestens eine Woche zu überleben."
Laut der Notfallbehörde EMA bleiben den mehr als 1,4 Millionen Bewohnern der Inselkette im Ernstfall nur zwischen 12 und 15 Minuten, um sich in Sicherheit zu begeben. Nicht nur die Studenten an der Universität von Hawaii wurden von dem falschen Raketenalarm komplett überrascht. Die meisten Menschen - sowohl Einheimische als auch Touristen - verbarrikadierten sich im Badezimmer oder suchten im Keller nach Unterschlupf.
Entwarnung erst nach 38 Minuten
Matt LoPresti erzählte dem Nachrichtensender CNN, er habe mit seinen Kindern in der Badewanne gesessen und gebetet. Ganz ähnlich erlebte die Situation der Golfprofi John Peterson, der wegen eines PGA-Turniers in Honolulu war. "Mit meiner Frau, Baby und Schwiegereltern unter Matratzen in der Hotelbadewanne. Lieber Gott, bitte lass den Raketenalarm nicht echt sein", schrieb er auf Twitter. In einem Video, das in den sozialen Netzwerken verbreitet wurde, ist eine Familie zu sehen, die in einem Kanalisationsschacht Schutz sucht.
Es dauerte endlos lange 38 Minuten, bis eine korrigierte Meldung auf den Handys ankam. Zuvor hatte die Katastrophenbehörde EMA bereits auf Twitter Entwarnung gegeben. "Keine Raketenbedrohung für Hawaii", hieß es.
In der Zeit zwischen Warnung und Entwarnung rechneten viele in Hawaii mit dem Schlimmsten, sogar dem Tod. "Ich glaube, der Fehler hat verdeutlicht, dass Hawaiis Warnsystem so noch nicht funktioniert", sagt Salle. "Es gab keine zusätzlichen Informationen nach der ersten Warnmeldung. Die entscheidenden Stellen waren am Wochenende nicht besetzt. Sogar die Radiostationen wussten zunächst nicht, was los ist."
Der Gouverneur von Hawaii, David Ige, entschuldigte sich noch am Samstag auf einer Pressekonferenz für den Fehlalarm und versprach, dass so etwas "nie wieder passieren" werde. "Heute ist ein Tag, den die meisten von uns niemals vergessen werden", sagte er. "Ein schrecklicher Tag, an dem es den Anschein hatte, dass unsere schlimmsten Albträume wahr werden."
Die Reimanns haben gar nichts mitbekommen
Die offizielle Begründung für den Fehlalarm lautet: menschlicher Fehler. Den Behörden zufolge "hat jemand den falschen Knopf" gedrückt. Am Sonntag wurde bekannt, dass die entsprechende Person von seinem Posten zurückgetreten ist. Aufgrund seiner oder ihrer Unachtsamkeit gingen bei den Behörden in der Landeshauptstadt Honolulu mehr als 5000 Notrufe ein. "Mehr als diese bewältigen konnten", wie Bürgermeister Kirk Caldwell sagte.
In dem Inselstaat leben auch zwischen 3000 und 4000 deutsche Staatsangehörige, vermutet Salle. Darunter auch das wahrscheinlich bekannteste deutsche Auswanderer-Ehepaar, Konny und Manuela Reimann, bekannt aus der Doku-Soap "Goodbye Deutschland" des Senders Vox. Die beiden leben seit 2015 am North Shore auf der Insel Oahu. Die Reimanns blieben völlig im Dunkeln, als der Rest der Insel in chaotische Zustände verfiel. "Da wir hier im Paradies wohnen, bekomme ich nichts mit. Und das ist auch gut so!", schrieb Konny Reimann per E-Mail.
Wie es zu dem Fehlalarm kommen konnte und wie in Zukunft sichergestellt werden soll, dass dies nie wieder passiert, wird von Landes- und Bundesbehörden in den kommenden Tagen und Wochen weiter untersucht. Trotz der Panik, die der falsche Raketenalarm verursachte, forderte Gouverneur Ige die Bevölkerung auf, sich nach den Erfahrungen vom Samstag in Zukunft besser auf einen möglichen Ernstfall vorzubereiten. Zudem appellierte er an die Regierung in Washington: "Wir müssen tun, was wir können, um Frieden und eine Deeskalation der Spannungen mit Nordkorea zu fördern."
Quelle: ntv.de