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Banaszak rügt "Führungsversagen" Entsetzte Grüne gehen Merz nach EU-Gipfel hart an

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"Unter dem Deckmantel von Bürokratieabbau wird Europas Klimaziel Schritt für Schritt ausgehöhlt", beklagt Banaszak.

"Unter dem Deckmantel von Bürokratieabbau wird Europas Klimaziel Schritt für Schritt ausgehöhlt", beklagt Banaszak.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs haben es in sich: Die EU-Kommission wird aufgefordert, umfangreich zu deregulieren. Auch den Emissionshandel beim Heizen und Tanken stellen die Mitgliedstaaten infrage. Grünen-Chef Banaszak beklagt ein Aushöhlen der EU-Klimaziele - angeführt vom deutschen Kanzler.

Nach dem Gipfeltreffen der 27 Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel geht Grünen-Chef Felix Banaszak hart mit Bundeskanzler Merz ins Gericht. "Statt den europäischen Kurs zu bestimmen, folgt Merz dem Prinzip Aufschub und Unverbindlichkeit", sagte der Co-Vorsitzende der Grünen zu ntv.de. "Unter dem Deckmantel von Bürokratieabbau wird Europas Klimaziel Schritt für Schritt ausgehöhlt."

Die Bundesregierung forderte zusammen mit den weiteren 26 Länderchefs die EU-Kommission auf, das europäische CO2-Preissystem für den Gebäude- und Verkehrssektor auf den Prüfstand zu stellen. Das sogenannte ETS2-System ist zentraler Baustein der EU-Klimaschutzpolitik. Ab 2027 sollen steigende Preise beim Tanken und Heizen Alternativen auf Basis Erneuerbarer Energien nach vorne bringen.

Banaszak fürchtet um "Erfolge der Energiewende"

Auch vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Gesamtlage fürchten viele Regierungen steigende Verbraucherpreise. In Deutschland macht die AfD schon seit Monaten Stimmung gegen den von ihr als "Luftsteuer" bezeichneten Emissionshandel. Die Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte das sogenannte Heizungsgesetz auf den Weg gebracht, um den Verbrauchern eine Abkehr vom absehbar teureren Heizen mit Gas zu erleichtern.

Ob und in welcher Form das ETS2 nun überhaupt kommt, scheint offen. Grünen-Chef Banaszak macht in CDU und CSU die Triebfeder eines Kurswechsels im EU-Klimaschutz aus. "Insbesondere die Union stellt zentrale Instrumente infrage - vom Emissionshandel über Effizienzstandards bis hin zum Aufwuchs der Elektromobilität", sagte Banaszak. Er warnte davor, die "Erfolge der Energiewende" zu sabotieren. "Unser Land wird unsicherer, Energie teurer. Wir riskieren, bei den Technologien von heute und morgen abgehängt zu werden."

Mit Blick auf die UN-Klimakonferenz (COP) Mitte November in Brasilien warne Banaszak vor einem falschen Signal aus Europa. "Das wirtschaftspolitische Führungsversagen von Merz sorgt dafür, dass Deutschland in Brüssel blockiert und Europa mit leeren Koffern zur COP fährt." Das sei "innovationsfeindlich gegenüber den vielen Unternehmen, die längst in die Zukunft investieren", so Banaszak. Die COP findet vom 10. bis 21. November in Belém statt.

Die EU-Kommission hat als Zwischenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 vorgeschlagen. Viele EU-Staaten sehen dies kritisch. Beim EU-Gipfel ging es unter anderem um Möglichkeiten, wie den Mitgliedstaaten beim Erreichen der Ziele geholfen werden kann. Der Gipfelerklärung zufolge soll die EU-Kommission "die notwendigen Rahmenbedingungen weiterentwickeln, um die europäische Industrie und die Bürger" zu unterstützen.

Merz macht Druck bei Vorschriften-Wegfall

Zudem soll der Fokus auf einem "gerechten, pragmatischen, kosteneffizienten und sozial ausgewogenen" Wandel liegen. Der Klimaschutz solle also nicht auf Kosten der Industrie gehen. Zudem macht die Bundesregierung Druck, die Bürokratiekosten für Unternehmen in Europa zu senken. Umwelt- und Verbraucherschützer fürchten ihrerseits, dass zu viel Deregulierung Unternehmen aus ihrer Verantwortung für die Folgen unternehmerischen Handelns entlässt.

Bundeskanzler Merz bekräftigte seine Erwartungen am Ende des Gipfels, er forderte "in der Europäischen Union einen wirklichen Kulturwandel". Es sei gut, dass sich die Kommission selbst einige ehrgeizige Ziele gesetzt habe, aber die müssten auch umgesetzt werden. Insgesamt habe sich die Kommission eine Bürokratieentlastung von knapp 40 Milliarden Euro vorgenommen.

"Vorgeschlagen hat sie bisher knapp 9 Milliarden Euro und umgesetzt sind bisher gerade einmal 1,5 Milliarden Euro", kritisierte Merz. "Da ist noch sehr viel zu tun. Das reicht also bisher nicht." Er forderte das Europäische Parlament erneut auf, die Entscheidung zurückzunehmen, dass die europäische Lieferkettenrichtlinie nicht verschlankt werden sollte.

Aufschwung durch Deregulierung?

Die EU-Staats- und Regierungschefs forderten am Donnerstag weniger und einfachere Vorschriften für Unternehmen. Verwaltungs-, Regulierungs- und Berichtspflichten für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen müssten "dringend" und "drastisch" reduziert werden, heißt es in der am Abend verabschiedeten Gipfelerklärung. "Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu gewährleisten", brauche es Vereinfachungen in allen Bereichen.

"Der Europäische Rat fordert die Kommission auf, rasch weitere ehrgeizige Vereinfachungspakete vorzulegen", erklärten die Staats- und Regierungschefs nun und nannten eine lange Liste von Branchen. Die Automobilindustrie soll davon profitieren, genau wie der Finanzdienstleistungssektor und die Lebensmittelbranche. Auch Chemie- und Pharmaindustrie sollen durch weniger Auflagen "wettbewerbsfähiger" werden. Die EU-Kommission soll demnach auch erwägen, ganze Gesetzesvorschläge wieder zurückzuziehen. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU soll laut Gipfelerklärung verstärkt mittels Deregulierung erreicht werden.

Quelle: ntv.de, mit dpa und AFP

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