Türkischer Prediger im US-Exil Erdogan-Gegner Fethullah Gülen in Klinik gestorben
21.10.2024, 11:01 Uhr Artikel anhören
Fethullah Gülen ist Medienberichten zufolge tot.
(Foto: picture alliance / AP Photo)
Der in den USA lebende türkische Prediger Fethullah Gülen ist tot. Seine Bewegung war vor acht Jahren für den versuchten Putsch gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdogan verantwortlich gemacht worden.
Fetullah Gülen, ein einflussreicher Prediger und Widersacher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, ist tot. Er starb im Alter von 83 Jahren in einem Krankenhaus in den USA, teilte die Website Herkul, die Gülens Predigten veröffentlicht, auf X mit. Laut dem türkischen Sender NTV litt der einstige Erdogan-Freund an Demenz sowie Nierenversagen und Diabetes. Gülens Neffe bestätigte den Tod dem öffentlichen Fernsehsender TRT ebenfalls.
Die Bewegung von Gülen wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich gemacht. Gülen, der seit 1999 im selbst gewählten Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania lebte, hat eine Beteiligung daran stets bestritten. Bei dem Versuch von Teilen des Militärs, die Macht zu ergreifen, wurden rund 250 Menschen getötet. Seither wurde die Hizmet-Bewegung Gülens massiv verfolgt. Ihre Anhänger streben nach eigenen Angaben die Verbreitung eines gemäßigten Islams an und fördern ein westliches Bildungssystem, freie Märkte und Kommunikation zwischen den Religionen.
Gülen war einst ein enger Verbündeter Erdogans und dessen konservativer Partei AKP, doch sie zerstritten sich. Die Spannungen zwischen beiden eskalierten im Dezember 2013, als Korruptionsermittlungen gegen Minister und Beamte aus dem Umfeld Erdogans ans Licht kamen. Staatsanwälte und Polizisten aus der Hizmet-Bewegung galten weithin als diejenigen, die hinter den Ermittlungen standen. 2014 wurde ein Haftbefehl gegen Gülen erlassen, zwei Jahre später wurde seine Bewegung als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Türkei forderte von den USA mehrfach die Auslieferung des Predigers.
Gülen "alles andere als demokratisch"
Kurz nach dem Putsch 2016 bezeichnete Erdogan Gülens Netzwerk als Verräter und Krebsgeschwür und schwor, es auszurotten. Hunderte mit Gülen verbundene Schulen, Unternehmen, Medien und Vereine wurden geschlossen und Vermögenswerte beschlagnahmt. Mindestens 77.000 Menschen wurden festgenommen und 150.000 Staatsbedienstete suspendiert, darunter Lehrer, Richter und Soldaten. Gülen selbst verurteilte den Putschversuch auf das Schärfste. "Für jemanden, der in den vergangenen fünf Jahrzehnten unter mehreren Militärputschen gelitten hat, ist es eine besondere Beleidigung, beschuldigt zu werden, in irgendeiner Verbindung zu einem solchen Versuch zu stehen", erklärte er.
Gülen wurde 1941 in einem Dorf in der osttürkischen Provinz Erzurum geboren. Als Sohn eines Imams, eines islamischen Predigers, studierte er seit seiner Kindheit den Koran. 1959 wurde Gülen selbst zum Imam einer Moschee in der nordwestlichen Stadt Edirne ernannt. In den 1960er Jahren erlangte er als Prediger in der westlichen Provinz Izmir Bekanntheit, wo er Studentenwohnheime einrichtete und in Teehäusern predigte. Diese Wohnheime waren der Beginn eines informellen Netzwerks, das sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte in Bildungs-, Wirtschafts-, Medien- und Staatsinstitutionen ausbreitete und seinen Anhängern großen Einfluss verlieh.
"Er war lange Jahre ein wichtiger Partner von Erdogan. Ohne Gülens Kader im Justiz- und Polizeiapparat hätte Erdogan die Demokratie und den Rechtsstaat in der Türkei nicht aushöhlen können", erklärt Journalist und Türkeiexperte Eren Güvercin auf X. "Nach einem Machtkampf zwischen Gülen und Erdogan kam es zu einem Bruch, viele Gülen-Anhänger setzten sich ins Ausland ab und inszenierten sich seitdem als vermeintliche Verteidiger der Demokratie und Menschenrechte. Bei aller erbitterten Feindschaft zwischen Gülen und Erdogan war er und seine Gruppierung alles andere als demokratisch."
Quelle: ntv.de, mpa/rts