Historische Stichwahl Erdogan ruft Türken in der Welt zum Wählen auf
19.05.2023, 15:57 Uhr Artikel anhören
Eine türkische Staatsbürgerin gibt ihre Stimme im türkischen Generalkonsulat in der Stadt Erbil im Irak ab.
(Foto: picture alliance / AA)
Erstmals findet in der Türkei eine Stichwahl ums Präsidentenamt statt. Ob Erdogan im Amt bleibt oder sein Widersacher Kilicdaroglu ihn ablöst, entscheiden auch die im Ausland lebenden Wahlberechtigten. Wie wichtig diesen die Stimmabgabe ist, zeigt ein hitziger Protest an Wahlbedingungen in einigen Ländern.
Vor der zweiten Runde der türkischen Präsidentschaftswahl hat Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan Türken im Ausland zur Stimmabgabe aufgefordert. "Ich erwarte von Ihnen, den Vertretern unserer Nation im Ausland, dass Sie noch einmal stark für Ihren Willen eintreten", schrieb Erdogan auf Twitter. "Ich bitte Sie, Ihr demokratisches Recht unbedingt wahrzunehmen."
Erdogan dürfte erneut auf eine deutliche Mehrheit der Stimmen aus dem Ausland hoffen: Die Stimmberechtigten im Ausland hatten in der Wahl am 14. Mai laut vorläufigen Ergebnissen mit 57,5 Prozent für Erdogan gestimmt. In Deutschland kam er vorläufig auf 65 Prozent der Stimmen. Erdogan schrieb an die Wähler gewandt: "Jeder von Ihnen hat seinen Namen bereits mit goldenen Buchstaben in unsere politische Geschichte eingraviert."
Insgesamt erhielt Erdogan zwar ebenfalls die meisten Stimmen, verpasste aber knapp die für einen Sieg in der ersten Runde notwendige 50-Prozent-Marke. Herausforderer Kemal Kilicdaroglu von der CHP erhielt vorläufigen Zahlen nach 45 Prozent der Stimmen.
Protest an Entscheidung zur Auslandswahl
Ab dem 20. Mai kann im Ausland und an Grenzübergängen, Häfen und Flughäfen der Türkei abgestimmt werden - und zwar in den meisten Ländern in der Regel fünf Tage lang bis zum 24. Mai. In der Türkei hatte es große Kritik gehagelt, da der Hohe Wahlausschuss des Landes in einigen Ländern die Stimmabgabe nur an zwei Tagen ermöglichen wollte und eine entsprechende Entscheidung traf. So sollte es etwa in den USA sein, wo Erdogans Widersacher Kemal Kilicdaroglu beim ersten Wahlgang mit laut Schätzungen über 80 Prozent der Stimmen sehr stark abgeschnitten hatte. Oder in Großbritannien, wo Kilicdaroglu ähnlich gut abschnitt.
In den sozialen Netzwerken kam sodann viel Kritik auf. Aus Kilicdaroglus Partei CHP wurde ein Einspruch erhoben. Schließlich wurde laut türkischsprachigen Medien eingelenkt, sodass auch Wählerinnen und Wähler in den USA, Kanada, Australien, Irland und Großbritannien ihre Stimme vom 20. bis zum 24. Mai abgeben können.
Königsmacher Ogan
Das Zünglein an der Waage, sollte es noch einmal knapp werden, wird aber wohl die Stimmabgabe derjenigen sein, die in der ersten Runde dem dritten Kandidaten Sinan Ogan ihre Stimme gegeben hatten. Der Ultranationalist hat eine baldige Entscheidung, ob er sich für eine Wahl Erdogans oder Kilicdaroglus in der Stichwahl ausspricht, in Aussicht gestellt. Im Laufe der nächsten Woche werde es voraussichtlich eine Erklärung geben, sagte die Sprecherin des Rechtsaußenkandidaten der Deutschen Presse-Agentur.
Historische Bedeutung hat die Stichwahl nicht nur, weil sie in dieser Form zum ersten Mal stattfindet, sondern auch weil die Türkei am 29. Oktober dieses Jahres die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen als Republik begehen wird. Erdogan hatte bereits jahrelang angekündigt, er wolle das Land an diesem historischen Tag noch regieren. Sein Widersacher Kilicdaroglu hingegen möchte Erdogan ablösen. Er steht der sozialdemokratischen Partei CHP vor, die Mustafa Kemal Atatürk 1923 gegründet hatte - rund einen Monat bevor er die Republik Türkei ausrief und damit ein neues Zeitalter in der Region einläutete.
Quelle: ntv.de, mpe/dpa