Treffen mit Scholz in Berlin Erdogan umschifft Frage zum Existenzrecht Israels
17.11.2023, 19:53 Uhr Artikel anhören
Händeschütteln für die Kameras: Erdogan und Scholz vor der gemeinsamen Pressekonferenz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Für eine Stippvisite reist Erdogan nach Berlin. Mit Kanzler Scholz spricht der türkische Präsident auch über den Krieg im Gazastreifen. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz werden die unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Staatsmänner deutlich.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bei seinem Deutschland-Besuch Israels Vorgehen im Gazastreifen scharf verurteilt. Dort sei "alles dem Erdboden gleich gemacht worden", sagte Erdogan am Abend bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin. Zwar spreche derzeit "jeder" von der Hamas, aber die militärische Macht der radikalislamischen Palästinenserorganisation sei nicht vergleichbar mit jener Israels. Zudem würde Israel nicht immer die Wahrheit sagen.
Wenn Deutschland und die Türkei gemeinsam einen humanitären Waffenstillstand erreichen könnten, habe man die Chance, die Region aus diesem "Feuerring" zu retten, sagte Erdogan. Für eine Lösung des Konflikts im Nahen Osten erscheine eine "Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967" nötig. Die Frage eines deutschen Journalisten, ob er das Existenzrecht Israels anerkenne, umschiffte Erdogan.
Scholz positionierte sich bei dem Thema konkreter. "Das Existenzrecht Israels ist für uns unumstößlich", sagte der Kanzler. Israel habe "das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich zu verteidigen". An Erdogan gerichtet sagte Scholz, es sei "kein Geheimnis", dass "wir zu dem aktuellen Konflikt unterschiedliche zum Teil sehr unterschiedliche Sichtweisen haben".
Erdogan und er teilten aber die "Sorge vor einem Flächenbrand im Nahen Osten", sagte Scholz. "Jedes Leben ist gleich viel Wert", fügte er an. Auch das "Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung" bedrücke die Bundesregierung. In dem anschließenden Gespräch mit Erdogan solle es darum gehen, wie eine "weitere Eskalation in der Region" verhindert werden könne.
Scholz lobt Flüchtlingsabkommen
Zudem warb Scholz für gute Beziehungen zwischen beiden Ländern. "Die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und der Türkei sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden." Ihm sei wichtig, "dass der Kontakt, die persönlichen Begegnungen für unsere Bürger gut und möglichst unkompliziert" gestaltet werden, sagte der SPD-Politiker. Scholz zählte verschiedene Themen auf, die er anschließend bei einem Abendessen im Kanzleramt mit dem türkischen Präsidenten besprechen wollte. Dazu gehört der NATO-Beitritt Schwedens, über den in der Türkei noch beraten wird. "Wir hoffen auf einen baldigen positiven Beschluss", sagte Scholz.
Deutschland und die Türkei eine das Ziel, irreguläre Migration begrenzen zu wollen, sagte Scholz. Er nannte das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei aus dem Jahr 2016 eine "gute Vereinbarung". Er setze sich in der EU dafür ein, dass diese fortgesetzt werde. Man werde auch über die Frage der Rückführungen sprechen müssen. Mit Blick auf die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei sagte er, man sei dabei in den vergangenen Jahren hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben.
Der Besuch Erdogans ist auch wegen dessen scharfer Verbalattacken gegen Israel im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg umstritten. Erdogan hatte die Ermordung vieler Hundert israelischer Zivilisten beim Terrorangriff am 7. Oktober zwar verurteilt, die dafür verantwortliche Hamas aber später als "Befreiungsorganisation" bezeichnet. Israel warf er hingegen einen "Genozid" im Gazastreifen vor und stellte das Existenzrecht Israels infrage. Gleichzeitig erklärte Erdogan aber auch immer wieder seine Unterstützung für eine Zwei-Staaten-Lösung - ein Haltung, die er mit dem Bundeskanzler teilt.
Quelle: ntv.de, jpe/AFP/dpa