"In Zukunft vorsichtiger sein" Erdogan will Diplomaten doch nicht ausweisen
25.10.2021, 19:04 Uhr
Am Wochenende droht der türkische Präsident Erdogan damit, die Botschafter von zehn westlichen Staaten, darunter Deutschland, ausweisen zu wollen. Verwirklicht wird die Drohung jedoch nicht. Nun rückt Erdogan ganz davon ab - nach einem Tweet mehrerer Botschaften.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat von der von ihm angedrohten Ausweisung westlicher Diplomaten Abstand genommen. Die Botschafter hätten "einen Rückzieher gemacht" und "werden in Zukunft vorsichtiger sein", sagte Erdogan nach einer Kabinettssitzung.
Zuvor hatten einige der betroffenen Botschaften eine Erklärung veröffentlicht, wonach sie sich gemäß der Wiener Konvention daran halten, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes einzumischen. Die deutsche Botschaft in der Türkei teilte einen entsprechenden Tweet der US-Botschaft.
Die Botschaften erklärten in dem Tweet, sich weiter an Artikel 41 des Wiener Übereinkommens zu halten. Der Artikel weist Diplomaten unter anderem an, sich nicht in innere Angelegenheiten des Empfangsstaats einzumischen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu feierte das als Erfolg und twitterte ihrerseits: "Die US-Botschaft in Ankara hat nachgegeben."
"Unsere Absicht war nicht, eine Krise zu verursachen", sagte Erdogan in einer Fernsehansprache. Es sei nur darum gegangen, "unsere Ehre, unseren Stolz und unsere souveränen Rechte zu schützen". Betroffen von dem Streit waren neben Deutschland und den USA auch Frankreich, Kanada, Finnland, Dänemark, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen und Schweden.
Kavala seit 2017 in Haft
Der türkische Staatschef hatte am Wochenende für einen Eklat gesorgt, indem er ankündigte, zehn westliche Botschafter zu "unerwünschten Personen" erklären zu lassen. Auf die auch als "persona non grata" bekannte Einstufung folgt in der Regel die Ausweisung. Der Eklat drohte zur schwersten diplomatischen Krise der 19-jährigen Regierungszeit Erdogans zu werden. Es war erwartet worden, dass die betroffenen Nationen auf eine Ausweisung mit der gleichen Maßnahme reagiert hätten. Dies hätte die Beziehungen Ankaras zu westlichen Ländern dramatisch verschlechtert.
Die Bundesregierung hatte sich verstimmt über die Drohungen aus Ankara gezeigt. Die Aussagen Erdogans nehme die Regierung "mit Sorge zur Kenntnis und auch mit Unverständnis", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Mit den anderen betroffenen Staaten habe sich Berlin am Wochenende "intensiv" beraten. Diese Gespräche dauerten weiter an, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Die Sprecherin hatte zudem erklärt, sollte die Einstufung der Diplomaten als unerwünschte Personen tatsächlich erfolgen, würde dies im Widerspruch zur Tiefe und zur Bedeutung der deutsch-türkischen Beziehungen stehen. Es würde auch nicht dem "Umgang unter NATO-Verbündeten" entsprechen.
Lira erholt sich
Die türkische Lira erholte sich nach der Abwendung der Krise von ihrem historischen Rekordtief. Am Morgen wurden 9,80 Lira für einen Dollar verlangt, später erholte sich der Kurs leicht und lag bei 9,60 Lira. Die türkische Währung ist seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar bereits um 24 Prozent gefallen. Auch gegenüber dem Euro gab sie stark nach.
Hintergrund des diplomatischen Eklats ist eine Erklärung der zehn Botschafter von Anfang vergangener Woche. Darin fordern sie die Freilassung des türkischen Unternehmers und Kulturförderers Osman Kavala. Der 64-jährige Kavala sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchungshaft, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schon 2019 seine Freilassung angeordnet hatte. Kavala wird beschuldigt, die regierungskritischen Gezi-Proteste in Istanbul 2013 unterstützt und einen Umsturzversuch angezettelt zu haben. Ihm wird außerdem "politische und militärischen Spionage" im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kritiker sehen die Vorwürfe als politisch motiviert.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa