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Krieg im Norden Äthiopiens Eritrea zieht nach Massaker Truppen ab

Der Konflikt in Tigray hat Hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben. 

Der Konflikt in Tigray hat Hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben. 

(Foto: picture alliance / AA)

Hunderte Zivilisten werden im Norden Äthiopiens von eritreischen Milizen umgebracht. Äthiopiens Präsident Abiy bestreitet lange, dass Truppen aus dem Nachbarland am Konflikt in Tigray beteiligt sind. Ihm zufolge ziehen die Soldaten nun wieder ab. ​Das volle Ausmaß des blutigen Krieges ist noch unklar.

Im Tigray-Konflikt will Eritrea nach Angaben der äthiopischen Regierung seine Truppen aus Äthiopien abziehen. Das hätten Gespräche mit Eritreas Präsident Isaias Afewerki ergeben, teilte Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed mit. Lange hatte Abiy die Verwicklung eritreischer Truppen in den Konflikt mit der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) im Norden Äthiopiens abgestritten. Der andauernde Konflikt hat bereits Hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben und große Zerstörung angerichtet.

Die Regierung in Addis Abeba hatte im November eine Militäroffensive gegen die TPLF begonnen, die bis dahin in der gleichnamigen Region an der Macht war. Hintergrund waren jahrelange Spannungen zwischen der TPLF und der Zentralregierung. Experten zufolge waren die eritreischen Truppen auf Einladung Abiys in Äthiopien, um die Streitkräfte seines Landes zu unterstützen. Allerdings sagte Abiy nun, die eritreischen Truppen hätten die Grenzen des Nachbarlandes Äthiopien überschritten, nachdem die TPLF Raketen in Richtung Eritreas Hauptstadt Asmara geschossen hätten. Eritrea habe weitere Angriffe verhindern und seine Sicherheit wahren wollen. Nun übernähmen äthiopische Truppen die Sicherung der Grenzgebiete, sagte er.

Das volle Ausmaß des Konflikts in Tigray ist noch unklar. Monatelang waren Telefon- und Internetverbindungen gekappt, viele Bewohner hatten keinen Strom und kein Wasser. Humanitäre Helfer schätzen, dass ein Großteil der Bevölkerung in Tigray auf Hilfsmittel angewiesen sei. Allerdings klagten viele Organisationen lange, dass sie keinen vollen Zugang zu allen Notleidenden hatten. Dem UN-Nothilfebüro Ocha zufolge sind mehr als 500.000 Menschen innerhalb Äthiopiens auf der Flucht und mehr als 60.000 sind in das Nachbarland Sudan geflohen.

Die äthiopische Menschenrechtskommission (EHRC) hatte berichtet, eritreische Soldaten hätten während der Kämpfe in der nordäthiopischen Konfliktregion Tigray ein Massaker an mehr als hundert Zivilisten verübt. Am 28. und 29. November habe es "gravierende Menschenrechtsverletzungen" in der Stadt Aksum in Tigray gegeben, teilte das an die Regierung in Addis Abeba angegliederte, formal aber unabhängige Gremium am Mittwoch mit.

Bei dem Massaker handele es sich möglicherweise um ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", erklärte EHRC weiter. "Es verdeutlicht die Notwendigkeit einer umfassenden Untersuchung der Menschenrechtssituation in der Region Tigray insgesamt." Zuvor hatten bereits die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch Massaker an hunderten Zivilisten in Tigray gemeldet. "Ethnische Säuberungen" in der Region prangerte Mitte März auch US-Außenminister Antony Blinken an.

Flüchtlingslager geplündert und zerstört

Betroffen von dem Konflikt sind auch eritreische Flüchtlinge. Zwei Flüchtlingslager im Norden der Region mit einst rund 20.000 Menschen seien zerstört und geplündert worden, teilte das UNHCR mit. Mitarbeiter hatten die Lager erstmals seit vergangenen November erreicht. UNHCR vermutet, dass die Einrichtungen Ende Dezember oder im Januar zerstört wurden, Gewissheit darüber gibt es aber nicht. Etwa 7000 bis 10.000 Flüchtlinge sind demnach in anderen Lagern angekommen oder halten sich in der Region auf. Was mit den anderen passiert sei, wisse man bislang nicht. Auch ob Menschen gegen ihren Willen über die Grenze nach Eritrea gebracht wurden, sei unklar, hieß es.

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Äthiopien hatte lange bestritten, dass eritreische Truppen in Tigray präsent waren. Erst am Dienstag hatte Regierungschef Abiy Ahmed dies erstmals bestätigt. Jüngst war der internationale Druck auf Äthiopien gestiegen, die Soldaten Eritreas auszuweisen. Human Rights Watch, Amnesty International und die äthiopische Menschenrechtskommission (EHRC) warfen den eritreischen Truppen grobe Menschenrechtsverstöße vor. Zudem verkündete das UN-Menschenrechtsbüro jüngst, gemeinsam mit der EHRC mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen aller Konfliktparteien in Tigray untersuchen zu wollen.

Äthiopien und Eritrea trugen von 1998 bis 2000 einen blutigen Grenzkonflikt aus und unterhielten danach jahrelang keine diplomatischen Beziehungen. Erst 2018 begruben beide Länder das Kriegsbeil. Auch dafür bekam Abiy 2019 den Friedensnobelpreis.

Quelle: ntv.de, chf/dpa

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