"Das ist ein Versagen" Ermittlungen gegen Ficos Leibwächter nach Attentat
16.05.2024, 16:25 Uhr Artikel anhören
Rettungskräfte bringen den angeschossenen slowakischen Ministerpräsidenten Fico ins Krankenhaus. Seine Bodyguards müssen sich nun verantworten.
(Foto: picture alliance/dpa/TASR)
Nach den Schüssen auf den slowakischen Regierungschef Fico stehen die Personenschützer heftig in der Kritik. Experten rügen vor allem deren chaotisches Verhalten. Sie wundern sich, dass der Angreifer mehrere Schüsse abfeuern konnte und sich niemand vor ihn stellte.
Die Behörden prüfen nach dem Anschlag auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, ob seine Personenschützer ihn nicht ausreichend geschützt haben. Entsprechende Ermittlungen "wegen Behinderung der Aufgaben eines Amtsträgers" seien bereits am Mittwoch eingeleitet worden, sagte am heutigen Donnerstag eine Behördensprecherin der Nachrichtenagentur TASR. Mehrere slowakische Experten hatten Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen geübt. Sie rügten unter anderem, dass die Leibwächter unmittelbar nach dem Attentat chaotisch vorgegangen seien.
"Wenn ich mich nicht irre, hat Fico vor wenigen Wochen selbst über die Gefahr gesprochen, dass jemand auf Politiker schießen könnte", sagte der frühere slowakische Polizeipräsident Stefan Hamran der Zeitung "Dennik N". Er frage sich, wer dies analysiert und die Gefährdungslage beurteilt habe. Zudem bemängelte er die Reaktion, nachdem die Schüsse gefallen waren: "Es herrschte dort Chaos, das ist offensichtlich und das ist ein Versagen."
Auch der frühere Leiter der slowakischen Personenschutzeinheit, Juraj Zabojnik, rügte das Verhalten der Leibwächter des Ministerpräsidenten. "Wenn vier oder fünf Schüsse fallen können, dann ist jemand Schuld daran, dann ist der Personenschutz wohl nicht in Ordnung", sagte er dem Nachrichtensender TA3. Er habe nicht gesehen, dass sich einer der Bodyguards vor den Regierungschef gestellt habe. Er rechne mit einer harten Untersuchung des Vorfalls, denn die Menge vor dem Kulturhaus in Handlova sei überschaubar gewesen.
Der Ex-Polizist und Sicherheitsberater Lumir Nemec sagte der tschechischen Zeitung "Blesk", dies sei in jedem Fall eine sehr riskante Situation gewesen, da jeder ohne Kontrolle bis zur Absperrung habe gelangen können. "Die Personenschützer haben nur eine minimale Zeit, um zu reagieren - und sobald es zu irgendeinem Fehler kommt, kann das fatale Folgen haben", sagte Nemec.
Verdächtiger des versuchten Mordes beschuldigt
Fico war am Mittwochnachmittag niedergeschossen worden, als er nach einer Kabinettssitzung im Kulturhaus in der Kleinstadt Handlova im Zentrum des Landes auf dem Platz vor dem Gebäude Anhängern die Hände schüttelte. Fico wurde bei dem Attentat schwer verletzt und musste sich einer mehrstündigen Notoperation unterziehen. Sein Zustand ist Regierungsangaben zufolge stabil, aber weiter ernst. Er soll ansprechbar sein.
Inzwischen ist gegen den mutmaßlichen Schützen, einen Schriftsteller aus der zentralslowakischen Stadt Levice, ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes eingeleitet worden. Das gab Innenminister Matus Sutaj Estok bekannt. Die Tat sei "politisch motiviert" gewesen, fügte er hinzu. Bei dem 71-jährigen Tatverdächtigen handele es sich um einen Einzeltäter, der verärgert gewesen sei über den Ausgang der Präsidentschaftswahl in der Slowakei.
Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP