Politik

"Meduza"-Redaktion in Sorge "Es gibt keinen Journalismus in Russland mehr"

Galina Timtschenko ging 2014 ins lettische Exil, nachdem sie ihren Job bei "lenta.ru" verloren hatte.

Galina Timtschenko ging 2014 ins lettische Exil, nachdem sie ihren Job bei "lenta.ru" verloren hatte.

(Foto: imago images / Russian Look)

Die Lage für Journalisten in Russland ist äußerst bedrohlich, vor allem wegen Putins neuem Mediengesetz. Die Chefredakteurin des unabhängigen Online-Magazins "Meduza" gibt ihrer Redaktion ohne Hilfe "noch drei, maximal vier Monate". Wegen der Sanktionen kommen keine Spenden mehr an.

Wer in Russland über den Ukraine-Krieg berichtet, läuft Gefahr, im Gefängnis zu landen. Die Chefredakteurin des unabhängigen russischen Online-Magazines "Meduza", Galina Timtschenko, macht sich daher große Sorgen um die Zukunft ihrer Redaktion. "Meduza ist so bedroht wie noch nie. Ohne Hilfe haben wir noch drei, maximal vier Monate", sagte sie im Interview mit dem "Spiegel". "Meduza" hat seinen Sitz in Riga, ein Teil der Mitarbeiter arbeite in Russland. Durch die Sanktionen habe die Redaktion keinen Zugriff mehr auf Spenden aus Russland, so Timtschenko. Man erlebe große Anteilnahme, benötige aber dauerhafte Unterstützung.

"Es gibt keinen Journalismus in Russland mehr", konstatierte die renommierte Journalistin weiter. "Selbst mein Freund Dmitrij Muratow und seine 'Nowaja Gazeta' schreiben jetzt so, dass es nur noch um einzelne Schicksale geht und die verbotenen Wörter nicht mehr vorkommen. Das ist das Ende. Alles, wofür wir jahrelang gekämpft haben, wurde in nur einem Monat zerstört." Ein neues Mediengesetz, das Präsident Wladimir Putin Anfang März unterzeichnete, sieht für "Falschinformationen" über den Ukraine-Krieg bis zu 15 Jahre Haft vor. Unliebsame Berichterstattung wird damit im Keim erstickt.

Um angemessen über den russischen Krieg zu berichten, habe man anfangs rund um die Uhr gearbeitet, sagte Timtschenko. "Wir haben es kürzlich auf 20 Stunden reduziert. Zwischen ein und sechs Uhr morgens veröffentlichen wir jetzt nichts mehr. Aber in Wahrheit arbeiten wir vermutlich weiterhin 24 Stunden am Tag. Wir sind rastlos." Über die Arbeit in Russland und in der Ukraine sagte sie: "Natürlich sind wir inzwischen noch vorsichtiger. Aber ehrlich gesagt machen wir einfach unseren Job. Es ist unsere Pflicht, weiter vor Ort zu sein."

"Meduza" wurde 2014 als unabhängiges Online-Medium in Riga gegründet, nachdem Timtschenko ihren Job als Chefredakteurin des großen Nachrichtenportals "lenta.ru" in Folge der Krim-Annexion verloren hatte. Ein großer Teil ihrer Redaktion folgte ihr daraufhin ins lettische Exil. Nach eigenen Angaben ist "Meduza" heute das größte unabhängige russische Medium. Die Texte erscheinen auf Russisch und Englisch.

Quelle: ntv.de, chf

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