Wirkliche menschliche Größe zeigt sich in Momenten der Niederlage. Das beste Beispiel dafür ist der scheidende britische Finanzminister Jeremy Hunt. Er hält nach dem desaströsen Abschneiden der Tories eine Rede, die Maßstäbe setzt - menschlich wie politisch.

Mit dem überragenden Wahlsieg der Labour-Partei hat Großbritannien eine neue Regierung. Der bisherige Finanzminister Jeremy Hunt verabschiedete sich mit einer ebenso emotionalen wie eindrücklichen Rede aus dem Amt, bevor er mit seiner Familie aus Downing Street Nr. 11 auszog. Hunts Nachfolgerin ist Rachel Reeves, damit bekommt das Land erstmals in seiner Geschichte eine Finanzministerin.

Hunt hatte, anders als mehrere seiner Kabinettskollegen, seinen Sitz im Unterhaus verteidigt. Trotzdem räumte er ein, dass der Wahltag für seine Partei "eine bittere Pille" war und verwies auf die sich bessernden Wirtschaftsdaten. Dann allerdings wurde Hunt nachdenklich: "Einige Konservative werden sich fragen, ob das Ausmaß unserer vernichtenden Niederlage wirklich gerechtfertigt ist. Aber wenn man das Vertrauen der Wähler verliert, kommt es nur darauf an, den Mut und die Demut zu haben, sich selbst zu fragen, warum das so ist, damit man es wieder zurückgewinnen kann."

Das Ausmaß der Niederlage der Tories, das Ausmaß des Sieges von Labour zeige, "dass das britische Volk ihnen mehr vertraut hat als uns. Und wir müssen ehrlich zu uns selbst sein und uns sehr gründliche Fragen stellen. Ich hoffe, wir geben uns dafür Zeit."

Unterstützung für Labour-Nachfolger

Der 57-Jährige hatte seit 2010 verschiedene Ministerämter inne und war zunächst im Kabinett von Liz Truss Finanzminister, bevor er dann von Rishi Sunak erneut mit dem Amt betraut wurde. Zuvor hatte er bereits das Kultur-, anschließend das Gesundheits- und unter Premier Theresa May schließlich das Außenministerium geführt

Von seinem Chef und Nachbarn in der Downing Street verabschiedete er sich mit den Worten: "Ich war unglaublich stolz, unter Rishi Sunak zu dienen, aber ich wünsche der neuen Labour-Regierung alles Gute."

Der neue Premierminister Keir Starmer und seine Finanzministerin Reeves seien "anständige Menschen und engagierte Staatsdiener, die die Labour Party zum Besseren verändert haben. Ungeachtet unserer politischen Differenzen brauchen wir sie jetzt alle, um erfolgreich zu sein." Hunt drückte die Hoffnung aus, dass die Labour-Party "dringend benötigte Reformen" am staatlichen Gesundheitssystem NHS so umsetzen werde, wie es "konservativen Regierungen manchmal schwerfällt".

Der frühere Finanzminister fand auch für seine Familie besondere Worte. An seine Frau Lucia Guo gerichtet, sagte er: "Ich bin so stolz auf meine Frau. Obwohl sie nicht in diesem Land geboren wurde, ist sie die beste Wahlkämpferin, die ich kenne." Seinen Kindern, von denen er hoffte, dass sie am Wahlabend endlich schlafen würden, gab er mit auf den Weg: "Dies mag wie ein harter Tag für unsere Familie erscheinen, da wir aus der Downing Street ausziehen, aber das ist es nicht."

Der Tory-Politiker, der als moderate Stimme in seiner Partei auch als möglicher Nachfolger von Sunak an der Parteispitze im Gespräch ist, betonte: "Wir haben das unglaubliche Glück, in einem Land zu leben, in dem Entscheidungen wie diese nicht durch Bomben oder Kugeln getroffen werden, sondern durch Tausende von einfachen Bürgern, die friedlich Kreuze in Kästchen auf Zetteln setzen." Jeden Tag stürben tapfere Ukrainer, "um ihr Recht zu verteidigen, das zu tun, was wir gestern getan haben." Das dürfe man niemals als selbstverständlich ansehen. Hunt schloss mit den Worten: "Seien Sie nicht traurig, das ist der Zauber der Demokratie."