Politik

Ex-General Domröse bei ntv.de "Putin wird sich nicht so leicht geschlagen geben"

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Ein Atomwaffeneinsatz in der Ukraine könnte Putin die Freundschaft mit China kosten, sagt General a.D. Hans-Lothar Domröse.

(Foto: picture alliance/dpa/Pool Sputnik Kremlin/AP)

Die Krim-Brücke durch eine Explosion beschädigt, ukrainische Gegenoffensiven im Nordosten und Süden des Landes - für Putin läuft in der Ukraine derzeit vieles nicht nach Plan. Ist er nun zu einer weiteren Eskalation bereit? Der ehemalige NATO- und Bundeswehr-General Hans-Lothar Domröse sagt, man könne einen russischen Atomwaffeneinsatz nicht gänzlich ausschließen. Der Preis für den Kremlchef wäre aber enorm, sagt er.

ntv.de: Anfang September traten die ukrainischen Streitkräfte in der Region Charkiw zur Gegenoffensive an und befreiten in kurzer Zeit große Gebiete. Was war das Rezept für diesen raschen Vormarsch?

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Hans-Lothar Domröse ist General a.D. der Bundeswehr. Von 2012 bis zu seinem Ausscheiden 2016 war er Oberbefehlshaber des NATO Allied Joint Force Command Brunssum in den Niederlanden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Hans-Lothar Domröse: Das war ein klassischer Erfolg mit List und Tücke. Alle Welt hat geglaubt, die Ukrainer starten im Süden, in der Region Cherson, eine große Gegenoffensive. Das hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj ja mehrfach angekündigt. Moskau hat daraufhin etliche Bataillone aus der Front genommen und in den Süden geschickt. In der Region Cherson finden auch nach wie vor Gefechte statt. Aber der Schwerpunkt liegt nicht im Süden, sondern im Norden, wo die russischen Linien nun ausgedünnt sind.

Ungeachtet der ukrainischen Siege treibt der Kreml seine Angriffe auf Bachmut voran. Warum ist der Ort so wichtig für Moskau?

Bachmut ist eine Schlüsselstadt im Donbass. Dort verlaufen mehrere wichtige Straßen. Und wenn Sie an den Winter denken, mit Schlamm, Matsch und Frost, dann müssen sie solche Verkehrsknotenpunkte in der Hand haben, um nicht im Morast zu versinken. Insofern ist der Ort auch für die Ukrainer wichtig.

Anfang der Woche bombardierte Russland mehrere ukrainische Städte. Überrascht Sie der massive Raketenangriff auf Ziele, die offensichtlich keinen militärischen Nutzen haben?

Ehrlich gesagt nein. Bislang hat Russland ohne große Rücksicht Schulen, Kindergärten und Wohnanlagen beschossen. Das ist nicht neu. Ziel soll es sicherlich sein, die Widerstandsfähigkeit der Ukrainer zu brechen und Angst und Terror im ganzen Land zu verbreiten. Bei den Angriffen von Montag schwingt scheinbar auch eine gewisse Wut mit, nachdem am Wochenende die Krim-Brücke bei Kertsch durch eine Explosion beschädigt wurde.

Das deutsche Luftabwehrsystem IRIS-T SLM ist mittlerweile in der Ukraine angekommen. Bei der Lieferung anderer schwerer Waffen tut sich Berlin aber bislang schwer - Stichpunkt "Leopard" und "Marder".

Der Kampfpanzer "Leopard" und der "Marder"-Schützenpanzer wären natürlich auch sehr hilfreich, gerade bei Gegenangriffen. Wenn sich die ukrainischen Verbände aus der Deckung nach vorne bewegen, geraten sie ja in das russische Abwehrfeuer. Besonders in solchen Situationen eignen sich "Leopard" und "Marder". Sie verfügen über eine rasche Stoßkraft und präzise Waffenanlagen, die sogar im Fahren treffen. In Europa nutzen mehrere Staaten den "Leopard". Es wäre schön, wenn sich beispielsweise Länder wie Deutschland und Spanien zusammentun und gemeinsam eine bestimmte Anzahl der Kampfpanzer liefern. Dann wäre auch das Thema des Alleingangs vom Tisch.

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat die Aufstellung einer gemeinsamen Eingreiftruppe mit Russland angekündigt. Sehen wir bald belarussische Soldaten in der Ukraine kämpfen?

Das ist schwer zu sagen. Aber der Schritt verschärft natürlich die Lage für die Ukraine. Bislang hat Belarus nicht aktiv an den Kämpfen teilgenommen, sondern sein Territorium nur als Aufmarschgebiet für den Angriff auf Kiew zur Verfügung gestellt. Die Ukrainer müssen jetzt reagieren und Kräfte an der Grenze zu Belarus stationieren, um auf mögliche Angriffe vorbereitet zu sein. Diese Kräfte fehlen dann an anderer Stelle.

Trauen Sie Putin eine weitere Eskalation, etwa einen Angriff mit Nuklearwaffen zu?

Wir alle wissen nicht, was der Mann denkt. Seit der Beschädigung der Krim-Brücke fühlt er sich scheinbar in seiner Ehre gekränkt. Da spielen sicherlich auch persönliche Befindlichkeiten eine Rolle. Putin wird sich nicht so leicht geschlagen geben. Mit dem Einsatz von Atomwaffen würde er das Szenario auf fürchterliche Weise verändern und es wäre womöglich ein hoher Preis, den er bezahlen müsste. Unter Umständen würde es ihn die Freundschaft mit China kosten. Der Westen könnte als Reaktion die russische Armee mit konventionellen Waffen in der Ukraine zerschlagen. Wenn Putin halbwegs vernünftig ist, setzt er keine Nuklearwaffen ein. Gänzlich ausschließen kann man das aber natürlich nicht.

Mit Hans-Lothar Domröse sprach Janis Peitsch

Quelle: ntv.de

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