Merkel und Seehofer für Flexi-Lösung FDP komplett gegen Frauenquote
26.05.2012, 04:12 Uhr
Familienministerin Schröder will mit der Flexi-Quote punkten.
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2,7 Prozent, das ist der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder in großen börsenorientierten Unternehmen. Die Union ist sich offenbar einig, es soll eine flexible Quote für mehr Frauen geben. Die FDP sperrt sich jedoch, schiebt den Schwarzen Peter an Familienministerin Schröder und liegt damit auf einer Linie mit den Grünen.
Deutsche Unternehmen werden sich möglicherweise schon bald eine flexible Frauenquote geben müssen, nach der verbindlich festgelegt werden soll, wie viele Frauen in Führungspositionen arbeiten sollen. Nach Informationen des "Spiegel" sollen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer darauf geeinigt haben. Die Idee der Flexi-Quote stammt von Familienministerin Kristina Schröder.
Gegen die Flexi-Regelung laufen Frauenverbände und der Bundesfrauenrat der Grünen Sturm. Auch der Koalitionspartner, die FDP, ist dagegen. Die meisten Kritiker verlangen wie auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein Gesetz, das den Firmen eine feste Frauenquote vorschreibt. Laut "Spiegel" wollen CDU-Chefin Merkel und Seehofer mit ihrer Einigung den Unmut der Frauen in der Unionsfraktion dämpfen, die sich gegen das von der CSU geforderte Betreuungsgeld wenden. Seehofer hatte stets deutlich gemacht, dass er für eine feste Quote keine Mehrheit in seiner Partei sehe.
Kompromiss abgelehnt

Merkel und Seehofer können mit ihrer Zustimmung für viel Frieden in der Koalition sorgen.
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Zum anderen sehen Merkel und Seehofer in der Flexi-Regelung ein Kompromissangebot an die FDP, die strikt gegen eine feste Quote für Frauen in Führungspositionen ist. Allerdings lehnte FDP-Vize Holger Zastrow in einer ersten Stellungnahme den Merkel-Seehofer-Kompromiss ab. Dem "Spiegel" sagte er, er werde "das Gefühl nicht los, dass immer dann mit der Quote hantiert wird, wenn sich das schlechte Gewissen regt". Vorrang sollten bessere Betreuungsangebote für Kinder haben. "Aber das erfordert eben mehr Anstrengungen als das Aufstellen von Geboten", so Zastrow. Quoten seien starre Vorschriften und keine liberale Lösung.
Ministerin Schröder hatte eingeräumt, selbst Nutznießerin einer Frauenquote gewesen zu sein. "Bei meiner ersten Bundestagskandidatur 2002 habe ich davon profitiert. Es wird mir bis heute hämisch vorgeworfen. Sie sehen: Eine Quote bedeutet für Frauen oft einen Makel, den sie manchmal nie wieder loswerden."
Geldbuße bei Verstoß
Die sogenannte Flexi-Regelung sieht vor, dass Unternehmen sich selbst ein Ziel für die Förderung von Frauen in Führungspositionen setzen. Die Quote muss aber öffentlich ausgewiesen werden und darf nicht nachträglich nach unten korrigiert werden. Wenn ein Unternehmen dieses Ziel verfehlt, können Sanktionen - zum Beispiel Geldbußen - verhängt werden. Noch immer liegt etwa der Anteil von Frauen in den Vorständen großer börsenorientierter Unternehmen nur bei 2,7 Prozent.
Auch die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Birgit Homburger bekräftigte die Ablehnung der FDP gegenüber Frauenquoten. "Quoten-Reglementierungen sind und bleiben Ersatzlösungen. Ich erwarte, dass die Wirtschaft ihre Versprechen erfüllt und mehr Frauen eine berufliche Chance einräumt. Das würde auch von Weitblick zeugen, denn der Zeitpunkt ist nicht fern, dass weibliche Fachkräfte dringend gesucht werden", sagte Homburger der "Neuen Westfälischen". Vor allem dürfe kein Vorwand entstehen, bei der Sorge für mehr und bessere Betreuungsmöglichkeiten weniger aktiv zu werden. "Da liegt die wahre Ursache für weniger berufliche Entfaltungsmöglichkeiten für Frauen", sagte Homburger. Ein Vorwurf an Familienministerin Schröder.
Auch die Grünen kritisieren, der Ausbau der Kleinkindbetreuung komme nicht voran, der gesetzliche Anspruch auf einen Betreuungsplatz könne vielerorts nicht eingehalten werden.
Zweifler in Union zufrieden
Die Einführung der Flexi-Quote sei "vertretbar und verhältnismäßig", hieß es dagegen vom Parlamentskreis Mittelstand. Sie würde die Konzerne zwingen, sich "der Diskussion über die Zielquoten und über Strategien zur Erreichung dieser Zielvorgaben zu stellen". Nur so könne der nötige "Wandel der Unternehmenskultur" zugunsten der Frauen gelingen. Der Parlamentskreis Mittelstand gehörte bisher zu den größten Zweiflern an Quotenlösungen. Er ist die mit Abstand größte Gruppe in der Unionsfraktion. In ihm sind 145 der 237 Unionsabgeordneten organisiert.
einer starren Frauenquote lehnt er weiterhin ab. Der Vorsitzende des Parlamentskreises, Christian von Stetten, sagte der "Süddeutschen Zeitung", Frauen "sollen in den Führungsetagen stärker vertreten sein, aber einen ungerechtfertigten Eingriff in die Eigentumsrechte der Unternehmenseigentümer, wie es eine starre Frauenquote vorsieht, wird es mit uns nicht geben."
Bundesfrauenrat verlangt Schröders Entlassung
Ganz anders sieht das hingegen der Bundesfrauenrat der Grünen. Er forderte Merkel zur Absetzung Schröders auf. Schröder, Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zeige sich als "Totalausfall im Kabinett", heißt es vonseiten des Gremiums. Nicht nur in den Bereichen Kampf gegen Rechtsextremismus, nachhaltige Jugendpolitik oder moderne Familienpolitik habe Schröder "versagt", sondern auch in der Frauen- und Gleichstellungspolitik.
Für Schröder scheine der Feminismus das zentrale Problem zu sein, "und nicht die Interessen von Menschen, die sich eine gleichberechtigte Partnerschaft und gleiche Chancen für ihre eigene Existenzsicherung wünschen", kritisierten die Antragstellerinnen, darunter Parteichefin Claudia Roth und Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. Indem Merkel Schröder weiter gewähren lasse, opfere die Kanzlerin "mutwillig die Interessen von Millionen von Frauen". Mit ihrem Konzept der Flexi-Quote bremse Schröder die gesellschaftlich breit getragene Forderung nach einer verlässlichen, gesetzlichen Quote in Aufsichtsräten und Vorständen großer Unternehmen aus.
Das Ministerium müsse mit einer Ministerin besetzt werden, die "den politischen Willen mitbringt, Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten abzubauen", so die Grünen.
Quelle: ntv.de, rpe/ppo/AFP/dpa