Kritik an Weihnachts-Lockerungen Frohes Fest - aber zu welchem Preis?
24.11.2020, 17:01 Uhr
Weihnachten mit der Kernfamilie - auch in Pandemiezeiten relativ sicher. Aber was, wenn die Verwandtschaft dazu kommt?
(Foto: imago images/MiS)
Von Weihnachten bis Neujahr wollen die Länderchefs die Corona-Regeln deutlich lockern. Kritiker sehen darin ein zu hohes Risiko, für das Deutschland womöglich im Januar einen hohen Preis zahlen müsste.
Am Mittwoch schalten sich die Chefs und Chefinnen der Bundesländer mit Kanzlerin Angela Merkel zusammen. Die Beschlussvorlage der Länder sieht eine Verschärfung des Lockdowns, aber Lockerungen an den Weihnachtstagen vor. Während bis kurz vor dem Fest private Treffen auf zwei Haushalte und maximal fünf Personen über 14 Jahre beschränkt werden sollen, sind die Festtage bis einschließlich Neujahr laut dem Papier der Ministerpräsidenten "gesondert zu betrachten".
So wollen sie "Treffen eines Haushaltes mit haushaltsfremden Familienmitgliedern oder haushaltsfremden Personen bis maximal 10 Personen insgesamt" erlauben. Kinder bis 14 Jahre sind hiervon ausgenommen", heißt es in der Vorlage, die am Mittwoch beschlossen werden soll.
Doch wie häufig dürfen sich Menschen in diesem Zeitraum privat mit anderen treffen? Dazu macht das Papier keine Angaben. Erlaubt wären demnach mehrere Feiern über den gesamten Zeitraum mit wechselnden Personen. Die Länderchefs wollen damit im kleinen Rahmen Feste ermöglichen. "Denn diese Tage sind für den familiären und gesellschaftlichen Zusammenhalt besonders wichtig", steht in der Beschlussvorlage.
Dass diese Regelung bei der Schalte am Mittwoch für Zündstoff sorgen könnte, deuten bereits verschiedene Reaktionen aus der Politik an. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder etwa möchte nochmal darüber reden, ob die Lockerungsphase tatsächlich auch über Silvester gelten solle.
"Hohe Durchmischung über langen Zeitraum"
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus spricht sich im "Spiegel" klar gegen eine Lockerung der Corona-Beschränkungen an Silvester aus. "Weihnachten wollen die Menschen zusammen mit ihrer Familie feiern, das ist nicht nur für die älteren Menschen sehr wichtig. Aber Silvester müssen wir nun wirklich nicht wieder alles aufmachen", so Brinkhaus. Weihnachten und Silvester zusammen "würde uns wahrscheinlich wieder stark zurückwerfen".
Ähnlich kritisch sieht der Frankfurter Virologe Martin Stürmer die Aufweichung der Kontaktbeschränkungen, allerdings auch schon zu Weihnachten. Für ihn bergen sie ein zu hohes Risiko: Theoretisch könne man Weihnachten mit zehn Erwachsenen aus zehn verschiedenen Haushalten feiern, die unbegrenzt Kinder mitbringen dürften, so Stürmer im Gespräch mit ntv.de. "Solche Treffen wären an jedem Tag und immer wieder mit anderen Menschen erlaubt, und daraus ergibt sich eine hohe Durchmischung über einen langen Zeitraum."
Falls die Neuinfektionszahlen bis Weihnachten nicht deutlich sinken, sondern eher stagnieren, ist es aus Stürmers Sicht zu gefährlich, darauf zu setzen, dass sich die Menschen trotz der lockeren Regelung freiwillig mäßigen und eigenverantwortlich handeln. "Wenn es beispielsweise bei 95 Prozent der Bürger funktioniert, sich auf freiwilliger Basis einzuschränken, dann würden fünf Prozent bleiben, bei denen das nicht der Fall ist", so der Dozent für medizinische Virologie an der Universität Frankfurt/Main. Wenn man große Zusammenkünfte erlaube, würden diese fünf Prozent auch große Feste feiern. "Damit schafft man die Gefahr, dass wir im Januar den Preis dafür zahlen mit einem Neuanstieg der Infektionszahlen." Stürmer plädiert dafür, die Kontaktbeschränkungen nicht abzuschwächen, sondern "konstant eine Linie zu verfolgen".
Optimistischer blickt der Hamburger Gesundheitsökonom Jonas Schreyögg auf die Weihnachtstage mit lockeren Kontaktregeln. Er hält es vor allem für wichtig, den Menschen vorher klar zu machen, mit welchen Mitteln sie auch zu zehnt in einem sicheren Rahmen feiern könnten. "Die Vorquarantäne, die durch vorgezogene Ferien ja in vielen Regionen Deutschlands möglich wird, ist sehr vernünftig", so Schreyögg. Die Verantwortlichen sollten auch an die Menschen appellieren, die AHA-Regeln einzuhalten.
Deutsche stehen hinter den Maßnahmen
Der wissenschaftliche Direktor des Hamburg Center for Health Economics beobachtet seit vielen Monaten eine gleichbleibend hohe Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung für die Corona-Maßnahmen. "Egal, welche Beschränkung erlassen wird, die Deutschen stehen dahinter", sagt Schreyögg ntv.de. 65 Prozent der Bürgerinnen und Bürger seien einverstanden mit den Maßnahmen, das sei auch im europäischen Vergleich ein hoher Wert.
Gerade die gemäßigten Regeln, die für die Feiertage geplant sind, hält Schreyögg für sinnvoll. "Weihnachten ist eine Institution, und viele würden sich ohnehin nicht davon abbringen lassen, miteinander zu feiern", so der Wissenschaftler. Man könne Menschen zuhause ohnehin nicht kontrollieren, doch ist aus Sicht Schreyöggs auch nicht zu befürchten, "dass rauschende Partys gefeiert würden". Aufgrund seiner Studien in den vergangenen Monaten erwartet Schreyögg, "dass die Menschen zum größten Teil vorsichtig handeln".
Quelle: ntv.de